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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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sie bearbeitet. Heute hatten wir einen lebhaften Nachmittag miteinander.« Nomuri langte unter die Wasseroberfläche und deutete unmißverständlich an, daß er mit seinen Kräften am Ende sei. »Es kann sein, daß er's nie wieder tut.«
»Wenn jetzt doch dieses amerikanische Mädchen noch da wäre«, sagte Taoka und ließ sich mit einem langgezogenen Ahhhhh ins Wasser gleiten. »Auf eine wie sie wäre ich jetzt scharf.«
»Ist sie weg?« fragte Nomuri ahnunglos.
»Tot«, sagte der Angestellte, und die Leichtigkeit, mit der er das sagte, verriet, daß die Trauer über den Verlust sich in Grenzen hielt.
»Was ist passiert?«
»Sie wollten sie nach Hause schicken. Yamata schickte Kaneda, seinen Sicherheitsmann, um bei ihr aufzuräumen. Aber anscheinend nahm sie Drogen, und er fand sie tot, an einer Überdosis gestorben. Sehr bedauerlich«, bemerkte Taoka, so als ginge es um das Ableben der Katze eines Nachbarn. »Aber dort, wo sie herkam, gibt es ja noch mehr.«
Nomuri nickte bloß mit gelangweiltem Gleichmut, während er bei sich dachte, daß er diese Seite des Mannes noch gar nicht kennengelernt hatte. Kazuo war ein recht typischer japanischer Angestellter. Direkt von der Uni weg war er in seine Firma eingetreten und hatte in einer Stellung begonnen, die ungefähr der eines Buchhalters entsprach. Nach fünf Jahren hatte man ihn auf eine Wirtschaftshochschule geschickt, in der die Leute geschunden wurden wie in einem KZ. Die Art, wie dieses Land funktionierte, hatte für Chet etwas Abstoßendes. Er hatte sich das anders vorgestellt. Aber es war schließlich ein fremdes Land, und jedes Land war anders, was ja im Grunde auch gut war. Amerika war der Beweis dafür. Amerika lebte von der Vielfalt, die aus allen möglichen Ländern zusammengekommen war und zu der jede ethnische Gemeinschaft etwas beigetragen hatte, wodurch eine oft kochende, aber immer kreative und lebendige nationale Mischung entstanden war. Nun aber begriff er wirklich, warum die Menschen in die Vereinigten Staaten gekommen waren, speziell Menschen aus diesem Land.
Japan verlangte viel von seinen Bürgern, genauer gesagt, seine Kultur. Der Chef hatte immer recht. Ein guter Angestellter war einer, der tat, was man ihm sagte. Wer aufsteigen wollte, mußte in viele Ärsche kriechen, das Firmenlied singen, jeden Morgen Gymnastik machen wie ein Rekrut im Ausbildungslager und eine Stunde früher zur Arbeit erscheinen, um zu beweisen, wie ernst es einem war. Das Verblüffende war, daß hier überhaupt etwas Kreatives zustande kam. Wahrscheinlich kämpften sich die besten von ihnen trotz alledem nach oben, oder sie waren so schlau, ihre inneren Empfindungen so lange zu verbergen, bis sie eine wirkliche Machtposition erreicht hatten, aber wenn sie sie erreicht hatten, mußte sich so viel Wut in ihnen aufgestaut haben, daß Hitler dagegen wie ein Waisenknabe erschien. In der Zwischenzeit lebten sie diese Gefühle in Saufgelagen und Sexorgien aus, wie sie ihm in diesem heißen Zuber geschildert worden waren. Die Geschichten über Spritztouren nach Thailand und Taiwan und neuerdings zu den Marianen waren besonders gepfeffert und hätten seinen Studienkollegen an der UCLA die Scharmröte ins Gesicht getrieben. Das alles waren Symptome einer Gesellschaft, die die psychologische Verdrängung pflegte, deren freundliche und sanfte Fassade aus guten Manieren wie ein Staudamm war, der unterdrückte Wut und Frustration zurückhielt. Gelegentlich wurde dieser Damm abgelassen, zumeist in geordneten, kontrollierten Bahnen, aber an dem Druck auf den Damm änderte das nichts, und eines der Ergebnisse dieses Drucks war die Art und Weise, wie man auf andere, speziell auf gaijin, herabsah - das brachte Nomuri mit seinem in Amerika gepflegten egalitären Menschenbild in Aufruhr. Nicht mehr lange, und er würde beginnen, dieses Land zu hassen. Das wäre schädlich und unprofessionell, dachte der CIA-Agent, der sich erinnerte, was man ihm auf der Farm immer wieder eingeschärft hatte: Ein guter Einsatzagent identifizierte sich aufs engste mit der Kultur, gegen die er arbeitete. Aber er entwickelte sich langsam in die entgegengesetzte Richtung, und die Ironie dabei war, daß der tiefste Grund seiner wachsenden Abneigung darin bestand, daß seine Vorfahren genau aus diesem Lande stammten.
»Möchten Sie wirklich mehr von ihrer Sorte?« fragte Nomuri mit geschlossenen Augen.
»Oh, ja. Bald wird es unser Nationalsport sein, Amerika zu ficken.« Taoka kicherte. »In den letzten zwei Tagen

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