08 - Ehrenschuld
dafür eine weite Reise auf sich genommen.«
»Bei einem Ereignis von dieser Bedeutung«, erwiderte der japanische Industrielle, »ist es, denke ich, angemessen.«
Winston geleitete den kleineren Mann zu seinem Sessel am anderen Ende des Tisches und kehrte dann zu dem seinen am Kopfende zurück. Zwischen ihnen saßen Teams von Anwälten und Investmentfachleuten wie zwei Footballmannschaften vor dem Anspiel am Scrimmage, dachte Winston, während er an dem Tisch entlangging und dabei seine eigenen Empfindungen im Zaum hielt.
Es war, verdammt noch mal, die einzige Möglichkeit auszusteigen, dachte Winston. Anders hätte es nicht funktioniert. Die ersten sechs Jahre in diesem Unternehmen waren eine einzige Glücksphase gewesen. Er hatte mit weniger als zwanzig Kunden begonnen, hatte aus ihrem Geld etwas gemacht und sich damit einen Namen erworben. Er hatte zu Hause gearbeitet, erinnerte er sich, seine Gedanken rasten, wenn er ruhelos im Zimmer hin- und herschritt, ein Computer war dagewesen und eine Telefonstandleitung, er hatte sich Sorgen gemacht um den Unterhalt seiner Familie, hatte aber immer die Unterstützung seiner liebevollen Frau, auch als sie das erste Mal schwanger war, mit Zwillingen immerhin, und trotzdem hatte sie keine Gelegenheit versäumt, ihm ihre Liebe und ihr Vertrauen zu bekunden, und er hatte seine Fähigkeiten und seinen Instinkt in Erfolg verwandelt. Mit fünfunddreißig hatte er es eigentlich schon geschafft. Zwei Stockwerke eines Büroturms in Manhattan, für ihn ein feudales Direktionszimmer, ein Team von gescheiten jungen Analysten, die die Kleinarbeit machten. Damals hatte er zum ersten Mal ans Aussteigen gedacht.
Während er die Anlagegelder seiner Kunden vermehrt hatte, hatte er natürlich auch sein eigenes Geld eingesetzt, bis sein persönliches Vermögen sechshundertsiebenundfünfzig Millionen Dollar betrug, nach Steuern. Seine Grundeinstellung erlaubte ihm nicht, sein Geld liegenzulassen, außerdem machte die Marktent-Wicklung ihm Sorgen, und so holte er jetzt alles heraus, kassierte und wechselte zu einem konservativeren Fondsverwalter. Auch ihm selbst kam diese Handlungsweise merkwürdig vor, aber er wollte sich einfach nicht mehr mit diesem Geschäft abgeben. Gewiß, es war reizlos, »konservativ« zu werden, und zwangsläufig würde er sich damit enorme Zukunftschancen entgehen lassen, aber - die Frage hatte er sich seit Jahren gestellt - welchen Sinn hatte das Ganze? Er besaß sechs palastartige Häuser, pro Haus zwei Privatwagen, einen Hubschrauber, bei Bedarf leaste er einen Jet, und die Cristobal war sein Lieblingsspielzeug. Er hatte alles, was er sich je gewünscht hatte, und selbst bei konservativer PortfolioVerwaltung würde sein persönliches Vermögen weiterhin schneller wachsen als die Inflationsrate, weil er bei seiner Haushaltsweise nicht einmal die Zinserträge verbrauchte. Und so hatte er es in Blöcke von fünfzig Millionen Dollar aufgeteilt und alle Marktsegmente über Investmentkollegen abgedeckt, die nicht so erfolgreich waren wie er, deren Integrität und Geschäftssinn er jedoch vertraute. Der Wechsel war seit drei Jahren in aller Stille vorbereitet worden, in denen er nach einem würdigen Nachfolger für die Columbus Group gesucht hatte. Leider war der einzige, der sich gemeldet hatte, dieser kleine Bastard.
»Eigentum« war natürlich nicht der richtige Ausdruck. Die wahren Eigentümer der Firmengruppe waren die einzelnen Anleger, die ihm ihr Geld anvertrauten, und das war ein Vertrauensbeweis, den Winston nie vergaß. Auch nachdem seine Entscheidung gefallen war, ließ ihm sein Gewissen keine Ruhe. Diese Leute verließen sich auf ihn und seine Angestellten, vor allem aber auf ihn, denn es war sein Name, der auf der wichtigsten Tür stand. Das Vertrauen so vieler Menschen war eine schwere Bürde, die er mit Können und Stolz getragen hatte, aber genug war genug. Es war an der Zeit, sich um die Bedürfnisse seiner Familie zu kümmern, fünf Kinder und eine treue Frau, die es satt hatten, Verständnis dafür aufzubringen, daß Papa so oft weg war. Die Bedürfnisse der vielen. Die Bedürfnisse der wenigen. Aber die wenigen standen ihm einfach näher.
Raizo Yamata investierte einen Großteil seines persönlichen Vermögens und einen erklecklichen Teil der gemeinsamen Mittel seiner zahlreichen industriellen Unternehmen, um die Mittel auszugleichen, die Winston herauszog. So geräuschlos Winston die Sache auch abzuwickeln wünschte und so verständlich seine
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