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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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anrempelte oder sonstwie mit ihnen in Berührung kam, daß es ohne Höflichkeit sicher zu Mord und Totschlag in einem Ausmaß gekommen wäre, das die kriminellsten Stadtviertel Amerikas in den Schatten gestellt hätte. Wenn die Leute sich hier zu nahe kamen, halfen sie sich mit lächelnder Verlegenheit und eiskalter persönlicher Isolation darüber hinweg, aber Nomuri hatte noch seine Schwierigkeiten damit. »Laß dem anderen ein bißchen Platz« war ein Schlagwort in seiner Studentenzeit gewesen. Hier gab es dafür einfach nicht genügend Raum.
    Dann war da noch die Art, wie sie mit Frauen umgingen. Hier, in den überfüllten Zügen, lasen die Angestellten, egal ob sie saßen oder standen, Comics, manga genannt, die ihn wirklich aufbrachten. Kürzlich war eine Lieblingsserie der achtziger Jahre wieder in Mode gekommen, die sich RinTin-Tin nannte. Es ging nicht um den netten Hund aus dem amerikanischen Fernsehen der fünfziger Jahre, sondern um einen Hund, der mit seiner Herrin redete und ... sexuelle Beziehungen mit ihr hatte. Er konnte daran keinen Gefallen finden, doch dort saß ein höherer Angestellter im mittleren Alter auf der Bank und starrte gebannt auf die Seiten, während direkt neben ihm eine Frau stand und aus dem Zugfenster sah, ob interessiert oder desinteressiert, konnte man nicht sagen. Hier herrschten im Krieg der Geschlechter offenbar andere Regeln als in dem Land, in dem er aufgewachsen war, dachte Nomuri. Er ließ den Gedanken aber fallen. Das gehörte schließlich nicht zu seiner Mission - daß das ein Irrtum war, sollte er bald herausfinden.
    Er bekam den Briefträger nie zu sehen. Während er im dritten Wagen des Zuges stand, nah bei der hinteren Tür, sich an der Haltestange festhielt und Zeitung las, wurde ihm, ohne daß er etwas merkte, ein Umschlag in die Manteltasche geschoben. So war es immer - an der üblichen Stelle wurde der Mantel bloß einen Hauch schwerer. Einmal hatte er sich umgedreht, aber nichts gesehen. Verdammt, er war bei dem richtigen Haufen gelandet.
    Achtzehn Minuten später fuhr der Zug in die Endstation ein, und die Masse strömte lawinenartig auf den geräumigen Bahnsteig hinaus. Der Angestellte drei Meter weiter verstaute seinen »Bildroman« in der Aktentasche und stapfte zur Arbeit, mit dem üblichen ausdruckslosen Gesicht, hinter dem er zweifelsohne seine eigenen Gedanken verbarg. Nomuri ging seiner Wege, knöpfte den Mantel zu und fragte sich, was er wohl für neue Instruktionen erhalten haben mochte.
    »Ist der Präsident informiert?«
Ryan schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
»Meinen Sie nicht, daß man ihn informieren sollte?« fragte Mary Pat
    Foley.
»Zu gegebener Zeit.«
»Ich setze meine Agenten nicht gern einem Risiko aus für ...« »Risiko?« fragte Jack. »Er soll Informationen beschaffen, keinen
    Kontakt aufnehmen und sich nicht exponieren. Aus den bisherigen Berichten ersehe ich, daß er bloß einer Frage nachzugehen hat, und wenn ihre Umkleideräume sich nicht total von den unseren unterscheiden, kann ich kein Risiko für ihn erkennen.«
    »Sie haben mich schon verstanden«, erklärte die stellvertretende Einsatzleiterin und rieb sich die Augen. Es war ein langer Tag gewesen, und sie machte sich Sorgen um ihre Agenten. Das tat jeder gute DDO - Deputy Director of Operations -, und sie war eine Mutter, die selbst einmal vom Zweiten Hauptdirektorat des KGB hochgenommen worden war.
    Operation SANDALWOOD hatte ganz harmlos begonnen, sofern man eine Geheimdienstoperation auf fremdem Boden harmlos nennen konnte. Die vorige Operation war ein gemeinsames Unternehmen von FBI und CIA gewesen, und sie war tatsächlich übel ausgegangen: Die japanische Polizei hatte einen amerikanischen Bürger gefaßt, in dessen Besitz sich Einbruchswerkzeug fand - und dazu ein Diplomatenpaß, der in diesem speziellen Fall eher hinderlich als hilfreich gewesen war. Die Zeitungen hatten nur eine kleine Meldung gebracht. Zum Glück hatten die Medien nicht recht verstanden, worum es überhaupt ging. Die Leute kauften Informationen. Die Leute verkauften Informationen. Oft waren es Informationen, die, auf den Aktendeckel gekritzelt, den Vermerk »geheim« oder noch höhere Geheimhaltungsstufen trugen, und im Endeffekt wurden amerikanische Interessen oder was man so nannte geschädigt.
»Wie gut ist er?« fragte Jack.
    Mary Pats Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Sehr gut. Der Bursche ist ein Naturtalent. Er lernt, sich einzupassen, baut sich eine Basis von Leuten auf, die

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