08 - Im Angesicht des Feindes
du dich? Doch das alles hatte ihn überhaupt nicht interessiert. Er wollte immer schon zur Polizei. Er wollte Unrecht wiedergutmachen. Es war ihm ein leidenschaftliches Anliegen.
»Ich kann in zwanzig Minuten da sein«, hatte er dem Sergeant versprochen und besorgt hinzugefügt: »Es passiert doch nichts, bevor ich da bin, oder? Ich meine, Sie werden doch noch keine Schlußfolgerungen ziehen oder so?«
Sergeant Stanley hatte spöttisch gelacht. »Wenn ich den Fall geklärt haben sollte, bis Sie kommen, werd' ich's für mich behalten. Zwanzig Minuten, sagen Sie?«
»Ich schaffs auch schneller.«
»Lassen Sie sich Zeit, Junge. Es ist eine Leiche, kein Brand.«
Dennoch brauchte Robin nur eine Viertelstunde für die Fahrt. Zuerst hielt er sich nördlich, in Richtung Marlborough, dann schwenkte er gleich hinter dem Dorfpostamt nach Nordwesten ab und brauste die Landstraße entlang, die üppiges Acker- und Weideland durchschnitt, eine hügelige Landschaft voller zahlloser Tumuli, Ganggräber und anderer prähistorischer Denkmäler, die zum Vale of Wootton gehörte. Er hatte diese Landschaft immer besonders beruhigend gefunden, wenn er sich Kümmernisse und Ärger, die manchmal mit dem Zusammenleben mit einer kranken Mutter einhergingen, von der Seele marschieren wollte. Und so war es auch heute, an diesem Spätnachmittag im Mai, da ein leichter Wind die Felder kräuselte und die Sorge für seine kranke Mutter in andere Hände übergehen sollte. Sam Corey war nicht der Richtige für sie - zwanzig Jahre zu alt für sie, ständig mit Klapsen auf den Hintern und Schmatzen auf den Hals zur Hand, mit verschwörerischem Zwinkern und anzüglichen Bemerkungen wie »Na warte, wenn ich dich erst mal allein für mich hab', mein Äpfelchen«. Robin war schleierhaft, was sie mit diesem Typen wollte. Aber er hatte brav gelächelt, wie es von ihm erwartet wurde, und sein Glas mit lauwarmem Champagner zum Toast auf das glückliche Paar erhoben. Und nach Stanleys Anruf war er geflohen und hatte versucht, nicht daran zu denken, was die beiden tun würden, sobald die Haustür hinter ihm zugefallen war. Es war irgendwie unangenehm, sich vorzustellen, wie die eigene Mutter sich mit einem Liebhaber im Bett wälzte, und erst recht mit so einem Liebhaber. Es war widerwärtig.
Der Weiler Allington lag in einer Straßenschleife wie in einer Ellbogenbeuge. Er bestand aus zwei Höfen, deren Wohnhäuser, Stallungen und sonstige Nebengebäude die auffallendsten Bauten in der Gegend waren. Eine Koppel, auf der eine Herde Kühe mit milchgeschwollenen Eutern graste, bildete die Grenze des Weilers. Robin fuhr an der Koppel entlang und dann durch das Gebiet der Manor Farm, wo eine Frau, die aussah, als wäre sie mit ihren Nerven am Ende, drei Kinder am Straßenrand entlang zu einem strohgedeckten Haus scheuchte.
Die kleine Landstraße, von der Sergeant Stanley gesprochen hatte, war in Wirklichkeit nur ein Fahrweg, der an zwei Häusern mit rotgedeckten Dächern vorbeiführte und eine saubere Schneise in die Felder schlug. Die Räder schwerer landwirtschaftlicher Fahrzeuge hatten zwei tiefe Furchen in die braune Erde gegraben und sie in der Mitte zu einer grasbewachsenen Kuppe aufgeschoben. Stacheldraht zu beiden Seiten des Wegs, der etwa Traktorbreite hatte, grenzte die Felder ab, die alle bebaut waren und im sanften Grün jungen Weizens schimmerten.
Der Wagen rumpelte schwankend über die holprigen Furchen. Bis zur Brücke waren es mehr als anderthalb Kilometer. Robin fuhr vorsichtig und hoffte, die Federung würde keinen dauerhaften Schaden davontragen.
Weiter vorn sah er schon die leichte Steigung, die zur Allington-Brücke hinaufführte. Zu beiden Seiten der Brücke standen Fahrzeuge am Wegrand, der von weißen Taubnesseln überwachsen war. Drei der Fahrzeuge waren Streifenwagen. Eins war ein Lieferwagen. Das letzte war ein schweres blaues Motorrad, Sergeant Stanleys bevorzugtes Transportmittel.
Robin hielt hinter einem Streifenwagen an. Westlich der Brücke schritten uniformierte Beamte - zu denen er selbst bis vor kurzem noch gehört hatte - langsam die beiden Seiten des Kanals ab. Die eine Gruppe hielt ihr Augenmerk auf den Fußweg am Südufer gerichtet, die andere durchstreifte suchend die Vegetation auf der anderen Seite. Ein Fotograf beendete eben seine Arbeit hinter dicht gewachsenem Schilf. In der Nähe wartete der Polizeiarzt, der weiße Handschuhe trug, mit einer schwarzen Ledertasche zu seinen Füßen. Abgesehen vom Quaken der Enten,
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