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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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den Biologen -, aber er war entschlossen, ihnen nichts zu zeigen als professionelle Sachlichkeit.
    Durch Gras und Blumen stieg er die Uferböschung hinunter. Die Stille um ihn herum schien sich noch zu verstärken, so daß ihm die Geräusche seines eigenen Körpers um so lauter erschienen: das Pfeifen seines Atems, das Hämmern seines Herzens, den dumpfen Aufschlag seiner Füße, die Gräser und Blumen niedertrampelten. Schlamm sog schmatzend an den Sohlen seiner Schuhe, als er zum Schilf kam. Er ging um es herum.
    Die Leiche lag gleich dahinter. Als erstes sah Robin einen Fuß, der aus dem Wasser ragte und im Schilf eingebettet war, als wäre das Kind aus irgendeinem Grund dort verankert worden; dann den anderen Fuß, der im Wasser lag, die Sohle runzlig, wie der Pathologe gesagt hatte. Robins Blick glitt an den Beinen hinauf zum Gesäß und weiter zum Kopf des Kindes. Er war zur Seite gedreht, die Augen waren teilweise geöffnet und stark blutunterlaufen. Kurzes braunes Haar lag, um den Kopf ausgebreitet, sachte schwankend auf dem Wasser, und während Robin das tote Kind anstarrte und fieberhaft nach der richtigen Frage suchte, die er jetzt stellen mußte - die Frage, von der er wußte, daß er sie wußte, daß sie irgendwo in seinem Hirn eingebrannt war, ihm im Blut lag, praktisch im voraus geplant, die Frage, die beweisen würde, daß er der coole Profi war -, sah er es am halb geöffneten Mund des Kindes silbern aufblitzen, als ein Fisch emporschoß und nach totem Fleisch schnappte.
    Ihm grauste. Seine Hände wurden feucht. Doch wie durch ein Wunder wurde sein Kopf tatsächlich klar. Er wandte den Blick von der Leiche, fand die richtige Frage und fragte mit einer Stimme, die nicht zitterte: »Junge oder Mädchen?«
    Statt einer Antwort sagte der Pathologe: »Bringen Sie den Sack« und kam zu Robin hinunter. Einer der Constables zog den Reißverschluß des Sackes auf. Zwei andere, in Gummistiefeln, wateten ins Wasser. Auf ein Nicken des Pathologen hin drehten sie die Leiche um.
    »Ein Mädchen«, sagte der Pathologe, als die kindliche unbehaarte Pubes sichtbar wurde. Die Beamten hoben den kleinen Körper aus dem Kanal in den Sack, doch ehe sie den Reißverschluß hochzogen, ließ sich der Pathologe neben dem Kind aufs Knie hinunter. Er drückte seine Hand fest auf ihre Brust. Ein feiner Schaum weißer Bläschen - nicht viel anders als Seifenschaum - quoll aus einem der Nasenlöcher.
    »Ertrunken«, konstatierte er.
    Robin sagte zu Sergeant Stanley: »Also kein Mord?«
    Stanley antwortete achselzuckend: »Das sollen Sie mir sagen, Junge. Wie schaut's aus?«
    Während der kleine Leichnam fortgebracht wurde und die Biologen mit ihren Flaschen und Beuteln den Hang herunterstiegen, bedachte Robin die Frage und plausible Antworten. Sein Blick fiel auf das Boot des jungen Pärchens, und er sagte:
    »Vielleicht war sie in den Ferien hier und ist aus dem Boot gefallen?«
    Stanley nickte, als ließe er sich diese Möglichkeit durch den Kopf gehen. »Aber es liegt keine Vermißtenmeldung für ein Kind vor.«
    »Dann ist sie vielleicht rausgestoßen worden. Ein schneller Stoß würde am Körper keine Spuren hinterlassen.«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, stimmte Stanley zu. »Dann war's Mord. Was noch?«
    »Ein Kind hier aus der Umgebung? Aus Allington vielleicht? Oder All Cannings? Man kann von All Cannings leicht durch die Felder hierherlaufen.«
    »Da haben wir dasselbe Problem wie vorhin.«
    »Keine Vermißtenmeldung?« »Richtig. Was noch?« Stanley wartete. Er schien nicht im geringsten ungeduldig.
    Robin faßte die letzte Möglichkeit in Worte, die in Widerspruch zu seiner früheren Schlußfolgerung stand. »Ein Verbrechen? Ist sie ...« Er trat von einem Fuß auf den anderen, während er nach einer beschönigenden Wendung suchte. »Ist sie ... ich meine, liegt ein Mißbrauch vor, Sir?«
    Stanley zog interessiert eine Augenbraue hoch.
    »Das wäre doch möglich«, fuhr Robin hastig fort. »Aber es waren ... ich meine, auf den ersten Blick hatte sie keine ... oberflächlich gesehen ...« Reiß dich zusammen, sagte er sich und räusperte sich. »Es könnte eine Vergewaltigung sein«, sagte er klar, »aber auf den ersten Blick waren keine Spuren von Gewaltanwendung am Körper zu sehen.«
    »Eine Schramme am Knie«, bemerkte der Pathologe, der immer noch unten auf dem Treidelpfad stand. »Ein paar Blutergüsse um den Mund und am Hals. Zwei Verbrennungen an den Wangen und am Kinn. Kaum verheilt. Ersten

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