08 - Im Angesicht des Feindes
Simon.«
»Das habe ich auch nie geglaubt.«
»Doch. Du siehst mich an und denkst, also, seit sie diesen Schwangerschaftsabbruch hat machen lassen, sind einige Jahre vergangen, das müßte ihr meinen Berechnungen nach gereicht haben, um die Sache zu überwinden. Und du vergißt dabei, was ich seitdem durchgemacht habe. Wie oft du und ich versucht haben ... wie oft wir es versucht haben und nichts daraus geworden ist - meinetwegen.«
»Deborah, diese Diskussion haben wir oft genug geführt. Sie führt immer zu nichts. Ich mache dir keinen Vorwurf. Das habe ich nie getan. Warum also beharrst du darauf, dir selbst Vorwürfe zu machen?«
»Weil es mein Körper ist. Weil es mein Versagen ist. Meins.«
»Und wenn es meins wäre?«
»Wie?« Sie schien plötzlich mißtrauisch.
»Würdest du wollen, daß ich mich mit Selbstvorwürfen quäle? Würdest du wollen, daß ich jeden Irrtum, den ich begehe - jede falsche Entscheidung, die ich treffe -, immer wieder nur als Folge meiner körperlichen Unfähigkeit sähe, ein Kind zu zeugen? Ist das denn überhaupt eine rationale Denkweise?«
Er fühlte, wie sie sich innerlich aus der Diskussion zurückzog. Ihre Züge verschlossen sich, wurden unzugänglich. Sie sagte höflich: »Da hast du den Kern unseres Konflikts. Du verlangst von mir rationale Überlegung.«
»Das ist doch aber nicht unzumutbar.«
»Du möchtest, daß ich nicht fühle.«
»Ich möchte«, entgegnete er, »daß du über das nachdenkst, was du fühlst. Und du weichst meiner Frage aus. Also antworte mir bitte.«
»Auf welche Frage?«
»Würdest du wollen, daß ich mich unentwegt quäle? Wegen etwas, wozu mein Körper nicht fähig ist? Wegen etwas, was ich vielleicht selbst verursacht habe, über das ich aber jetzt überhaupt keine Kontrolle habe? Würdest du wollen, daß ich mich deswegen quäle?«
Sie schwieg. Seufzend senkte sie den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Wie kannst du überhaupt mit so einem Argument kommen? Ach, natürlich nicht, natürlich nicht, Simon. Verzeih mir.«
»Können wir das Thema dann ruhen lassen?«
»Wir können es versuchen. Ich kann es versuchen. Aber das hier -« Sie berührte das Foto und zeichnete die Rundung des Kinderkopfes nach. Sie holte tief Atem. »Es war doch so: Ich habe dich gebeten, dich darauf einzulassen. Du hättest es nicht getan. Du wolltest nicht. Aber ich habe dich darum gebeten, und du hast es für mich getan.«
Er griff an ihr vorbei und nahm die Fotografie an sich. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie aus der Dunkelkammer ins Labor hinaus. Dort legte er das Bild von Charlotte Bowen mit der Vorderseite nach unten auf den Arbeitstisch. »Hör mir zu, Liebes«, sagte er, seinen Mund an ihrem Haar. »Mein Herz gehört dir. Darüber wird es nie eine Diskussion geben. Aber über meinen Verstand und meinen Willen verfüge ich selbst. Du magst mich gebeten haben, Charlotte Bowens Verschwinden zu untersuchen, aber das allein macht dich nicht verantwortlich dafür, daß ich es getan habe. Entschieden habe ich allein. Sind wir uns da einig?«
Sie drehte sich um und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. »Weil du so bist, wie du bist«, sagte sie leise auf die Frage, die er nicht gestellt hatte. »Darum möchte ich so gern ein Kind mit dir haben. Weil du so bist, wie du bist. Wenn du ein geringerer Mensch wärst, würde es mir, glaube ich, nicht einmal etwas ausmachen zu versagen.«
Er hielt sie fester. Er öffnete sein Herz ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, wie es die Art der Liebe ist. »Deborah, glaube mir«, sagte er, »ein Kind zu schaffen ist der einfachste Teil.«
Dennis Luxford fand seine Frau im Badezimmer. Die Polizeibeamtin in der Küche hatte ihm nur gesagt, daß Fiona darum gebeten hatte, in Ruhe gelassen zu werden, bevor sie nach oben gegangen war. Darum sah Luxford, als er aus der Redaktion zurückkehrte, zuerst in Leos Zimmer nach ihr. Aber dort war sie nicht. Mit hölzerner Bewegung wandte er sich ab vom Anblick des Kunstbandes, der aufgeschlagen auf Leos Schreibtisch lag; vom Anblick der angefangenen Skizze, die eine Kreuzabnahme von Giotto darstellte. Er hatte ein Gefühl schrecklicher Enge in der Brust, als hätte sich sein ganzes Blut dort gestaut, und er mußte einen Moment an der Tür stehenbleiben, bis er wieder ohne Mühe atmen konnte.
Er sah der Reihe nach in allen anderen Räumen nach. Er rief Fiona leise beim Namen, weil ihm schien, als wären leise Töne erforderlich, und selbst wenn es nicht so gewesen wäre,
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