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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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entfernt, aber sie berührten sich nicht; der eine wagte es nicht, die andere wollte nicht. Luxford wußte, was seine Frau dachte: Fleisch von seinem Fleisch. Charlotte war ebenso sein Kind gewesen wie Leo, und er hatte nichts unternommen, um sie zu retten. Aber er wußte nicht, wie sie den Menschen, mit dem sie seit zehn Jahren zusammenlebte, im Lichte dieser Tatenlosigkeit beurteilte. Er wünschte sich, er könnte weinen, aber er hatte vor langer Zeit die Fähigkeit verloren, sich durch einen Gefühlsausbruch innerlich zu reinigen. Kein Mensch hätte den Weg gehen können, für den er sich vor so vielen Jahren, als er nach London gekommen war, entschieden hatte, und dennoch ein fühlendes Geschöpf bleiben können. Wenn er es zuvor nicht gewußt hatte, so wußte er es jetzt. Nie in seinem Leben war er so verloren gewesen.
    »Ich kann nicht sagen, daß es nicht deine Schuld ist«, flüsterte Fiona. »Ich möchte es so gern, Dennis, aber ich kann nicht.«
    »Das erwarte ich auch nicht. Ich hätte etwas tun können. Ich habe mich manipulieren lassen. Weil es einfacher war; denn wenn alles geklappt hätte, hättet ihr, du und Leo, nie die Wahrheit erfahren. Und darum ist es mir gegangen.«
    »Leo.« Fiona sagte stockend den Namen ihres Sohnes. »Leo hätte sich über eine große Schwester gefreut. Sehr sogar, glaube ich. Und ich - ich hätte dir alles verzeihen können.« »Außer der Lüge«, sagte er.
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken. Ich kann nur an Leo denken. Was er in diesem Moment durchmacht, was für eine Angst er haben muß, wie allein er sein muß. Nur daran kann ich denken. Und daran, daß es vielleicht schon zu spät ist.«
    »Ich hole Leo zu uns zurück«, sagte Luxford. »Dieser Kerl wird ihm nichts tun. Weil er dann nicht bekommt, was er will. Und morgen bekommt er ja, was er will.«
    Fiona fuhr fort, als hätte er nicht gesprochen. »Ich zermartere mir den Kopf darüber, wie es überhaupt passiert sein kann. Die Schule ist doch gar nicht weit von hier, nur einen guten Kilometer. Die Straßen sind sicher. Da kann sich nirgends jemand verstecken. Wenn man ihn auf der Straße gepackt hätte, dann hätte das jemand beobachtet. Selbst wenn jemand ihn auf den Friedhof gelockt hätte, wäre das jemand anders aufgefallen. Und wenn wir diese Person finden können -«
    »Die Polizei sucht schon.«
    »- dann finden wir auch Leo. Aber wenn jemand etwas gesehen hat ...« Sie stolperte über das Wort.
    »Tu das nicht«, sagte Luxford.
    Dennoch fuhr sie nach einer kurzen Pause zu sprechen fort.
    »Wenn niemandem etwas aufgefallen ist - siehst du nicht, was das bedeuten würde?«
    »Was denn?«
    »Es würde bedeuten, daß es jemand war, den Leo kennt. Er würde niemals freiwillig mit einem Fremden mitgehen, Dennis.«

    Rodney Aronson winkte Mitch Corsico gleichgültig zu, als dieser die Weinbar in der Holborn Street betrat. Der junge Reporter nickte ihm zu, blieb stehen, um ein paar Worte mit zwei Kollegen vom Globe zu wechseln, und schritt dann mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der weiß, daß er der Story seines Lebens auf der Spur ist, durch die Schwaden von Zigarettenqualm. Seine Cowboystiefel sangen förmlich auf dem rohen Steinboden. Sein Gesicht glühte. Ja, er sah aus, als wäre er drauf und dran, völlig abzuheben. Dieser Narr!
    »Danke, daß Sie gekommen sind, Rod.« Corsico nahm seinen Hut ab und zog einen Stuhl heraus. Er schwang sein Bein nach Cowboyart über die Sitzfläche.
    Rodney nickte nur. Mit seiner Gabel spießte er einen Calamari-Ring auf und spülte ihn mit einem Schluck Chianti hinunter. Er hatte sich einen anständigen Schwips von dem Fusel erhofft, aber bis jetzt lag ihm das Zeug nur blubbernd im Magen, ohne sich im geringsten auf seine Stimmung auszuwirken.
    Corsico vertiefte sich einen Moment in die Speisekarte, dann legte er sie weg. Er rief einem vorüberkommenden Kellner lässig zu: »Einen doppelten Cappuccino ohne Zimt - und Waffelröllchen« und zog sein Notizbuch heraus. Nach einem argwöhnischen Blick auf die beiden Globe-Reporter, mit denen er beim Hereinkommen gesprochen hatte, musterte er die Tische in der näheren Umgebung, um sich zu vergewissern, daß er keine Lauscher zu fürchten brauchte. Drei übergewichtige Frauen mit dem unvorteilhaften Haarschnitt, den Rodney stets mit radikalen Feministinnen und aggressiven Lesben in Verbindung brachte, saßen an dem Tisch, der dem ihren am nächsten war. Das, was Rodney von ihrem

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