08 - Im Angesicht des Feindes
gehen, wenn ihr das gefalle. Oder in Bluejeans, Strumpfhosen, Satin und Spitze. Sie lachte und meinte, sie werde ihn beim Wort nehmen. »Ich habe genau die passenden Accessoires zu Sack und Asche.«
Hinterher merkte er, wie hungrig er war, und er ging in die Kantine und kaufte sich das Sandwich des Tages mit Avocado und Garnelen. Er ließ sich noch einen Apfel dazu geben und nahm beides, den Apfel auf einer Tasse Kaffee balancierend, mit in sein Büro.
Er hatte sein provisorisches Abendbrot zur Hälfte gegessen, als Winston Nkata mit einem Zettel in der Hand hereinkam. Er sah verwirrt aus.
»Was ist?« fragte Lynley.
Nkata rieb sich die Wange. »Ich werd' daraus nicht schlau«, sagte er. Er setzte sich in einen der Sessel vor Lynleys Schreibtisch und blickte auf den Zettel in seiner Hand. »Ich hab' eben mit dem Revier Wigmore Street telefoniert. Die haben seit gestern die Hilfspolizisten überprüft, Sie wissen doch?«
»Die Hilfspolizisten?« Als Nkata nickte, fragte Lynley: »Was ist mit denen?«
»Sie erinnern sich, daß keiner von den regulären Beamten in der Wigmore Street letzte Woche den Penner aus dem Cross Keys Close rausgejagt hat?«
»Jack Beard, meinen Sie? Ja, sicher. Darum haben wir ja vermutet, daß es einer der Hilfspolizisten gewesen sein muß. Haben Sie ihn gefunden?«
»Geht nicht«, antwortete Nkata.
»Warum nicht? Sind die Aufzeichnungen im Revier nicht in Ordnung? Hat es einen Wechsel im Personal gegeben? Was ist passiert?«
»Nein zu eins, nein zu zwei und nichts zu drei«, sagte Nkata.
»Ihre Aufzeichnungen sind in bester Ordnung. Die Hilfspolizisten werden immer vom selben Mann eingeteilt. In der letzten Woche hat keiner aufgehört. Und es ist auch kein neuer dazugekommen.«
»Was wollen Sie mir eigentlich sagen?«
»Daß Jack Beard nicht von einem Hilfspolizisten weggejagt worden ist. Und auch nicht von einem regulären Beamten vom Revier Wigmore Street.« Er beugte sich in seinem Sessel vor, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
»Ich krieg' langsam das Gefühl, daß Jack Beard überhaupt nicht weggejagt worden ist.«
Lynley ließ sich das durch den Kopf gehen. Es war unsinnig. Sie hatten zwei voneinander unabhängige Aussagen - abgesehen von Jack Beards eigener Aussage -, daß der Mann an dem Tag, an dem Charlotte Bowen verschwunden war, aus dem Cross Keys Close vertrieben worden war. Die Aussagen, die zunächst Helen eingeholt hatte, waren später bestätigt worden, als die mit dem Fall befaßten Beamten dieselben Personen, die den Wortwechsel zwischen dem Stadtstr eicher und dem Beamten, der ihn vertrieben hatte, beobachtet hatten, noch einmal vernommen hatten. Wenn sich nicht Jack Beard und die Bewohner des Cross Keys Close miteinander verschworen hatten, mußte es eine andere Erklärung geben. Zum Beispiel, dachte Lynley, daß sich jemand als Polizeibeamter ausgegeben hatte. Es war nicht unmöglich, sich eine Polizeiuniform zu beschaffen. Man konnte sie in jedem Kostümverleih mieten.
Diese Überlegungen beunruhigten Lynley. Mehr zu sich selbst als zu Nkata sagte er: »Es ist wieder alles offen.«
»Im Gegenteil. Wir sind in einer Sackgasse.«
»Das glaube ich nicht.«
Lynley sah auf die Uhr. Es war zu spät, um jetzt noch anzufangen, Kostümverleihe anzurufen, aber wie viele davon konnte es in London geben? Zehn? Zwanzig? Sicher weniger als zwanzig, und gleich morgen früh - Das Telefon läutete. Es war der Empfang. Ein Mr. St. James warte unten. Ob der Inspector ihn empfangen wolle? Lynley bejahte. Er schickte Nkata hinunter, St. James zu holen.
St. James hielt sich nicht mit Förmlichkeiten auf, als er fünf Minuten später in Begleitung von Winston Nkata Lynleys Büro betrat. Er sagte nur: »Tut mir leid, ich konnte nicht länger darauf warten, daß du mich zurückrufst.«
»Hier war die Hölle los«, erklärte Lynley.
»Das glaube ich.« St. James setzte sich. Er hatte einen großen braunen Umschlag bei sich und stellte ihn, an das Bein seines Sessels gelehnt, auf den Boden. »Wie weit seid ihr?« fragte er.
»Im Evening Standard machen sie einen Haufen Wind um einen ungenannten Verdächtigen in Wiltshire. Ist das der Mechaniker, von dem du mir gestern abend erzählt hast?«
»Das haben wir Hillier zu verdanken«, sagte Lynley. »Er möchte, daß die Öffentlichkeit erfährt, wie nutzbringend die Polizei ihre Steuergelder verwendet.«
»Was habt ihr sonst noch?«
»Einen Haufen offener Fragen. Und viel Arbeit.«
Er berichtete St.
Weitere Kostenlose Bücher