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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Bericht erwarten könne. Dann hatte er Helen angerufen. Sie sagte ihm, was er bereits wußte - daß St. James ihn dringend sprechen wolle und schon seit Mittag versuche, ihn zu erreichen. »Ich weiß nicht genau, worum es geht«, fügte sie hinzu, »aber es hat etwas mit diesem Foto von Charlotte Bowen zu tun, das du am Montag bei Simon gelassen hast.«
    »Darüber habe ich schon mit Deborah gesprochen«, sagte Lynley. »Ich habe mich entschuldigt. Ich kann das, was ich gesagt habe, nicht ungeschehen machen, aber sie ist offenbar bereit, mir zu verzeihen.«
    »Das sieht ihr ähnlich.«
    »Ja. Und du? Bist du auch bereit?«
    Darauf folgte eine Pause. Er nahm einen Bleistift und kritzelte damit auf einem Aktendeckel herum. Er schrieb ihren Namen wie ein Schuljunge und stellte sich vor, daß sie jetzt Kräfte für eine Antwort sammelte. Er hörte am anderen Ende der Leitung Geschirr klappern. Offenbar hatte er sie beim Abendessen gestört. Erst da fiel ihm ein, daß er seit dem Frühstück nicht mehr ans Essen gedacht hatte.
    »Helen?« fragte er.
    »Simon hat mir gesagt, daß ich mich entscheiden muß«, sagte sie. »Entweder rein ins Wasser oder runter vom Sprungbrett. Er selbst plädiert für den Sprung ins Wasser. Er sagt, ihm gefällt die Aufregung einer unsicheren Ehe.«
    Sie war direkt zum Kern der Sache gekommen, die zwischen ihnen stand, und das war ganz untypisch für sie. Lynley wußte nicht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Helen neigte dazu, ihre Richtung auf indirekten Wegen zu finden. Aber er wußte, daß St. James ein wahres Wort gesprochen hatte. Sie konnten nicht endlos so weitermachen, die eine ewig unschlüssig aus Angst vor einer endgültigen Bindung, der andere aus Angst vor einer endgültigen Zurückweisung bereit, diese Unschlüssigkeit zu akzeptieren. Es war lächerlich. Sie standen ja nicht einmal auf dem Sprungbrett. In den letzten sechs Monaten waren sie dem Wasser überhaupt nicht nahe gekommen.
    »Helen, bist du am Wochenende frei?« fragte er.
    »Ich wollte eigentlich mit Mutter zusammen zu Mittag essen. Warum? Mußt du nicht arbeiten, Liebling?«
    »Doch, wahrscheinlich. Ganz bestimmt, wenn dieser Fall bis dahin nicht abgeschlossen ist.«
    »Was -«
    »Ich dachte, wir könnten heiraten. Wir haben die nötigen Papiere. Ich finde, es wird Zeit, daß wir ernst machen.«
    »Einfach so?«
    »Kopfüber ins Wasser.«
    »Aber was ist mit deiner Familie? Und mit meiner? Und die Gäste, die Kirche, der Empfang ...?«
    »Also, heiraten wir?« Seine Stimme klang heiter, aber innerlich war er voll Furcht. »Na komm, Liebling. Vergiß das ganze Brimborium. Das können wir auch später haben, wenn du es willst. Es ist Zeit für den Sprung ins Wasser.«
    Er spürte förmlich, wie sie alle Möglichkeiten abwog, versuchte, im voraus abzusehen, wohin es führen konnte, wenn sie sich auf Dauer und vor aller Öffentlichkeit an ihn band. Wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen, war Helen Clyde die am wenigsten impulsive Frau, die er kannte. Ihre Entschlußlosigkeit trieb ihn zum Wahnsinn, aber er hatte längst gelernt, daß sie ein Teil ihrer Natur war. Sie konnte eine Viertelstunde über der Entscheidung brüten, welche Strümpfe sie morgens anziehen sollte, und weitere zwanzig Minuten in ihren Ohrringen kramen, um genau das richtige Paar zu finden. War es da ein Wunder, daß sie seit achtzehn Monaten in Entscheidungsschwierigkeiten steckte, zuerst wegen der Frage, ob, dann wegen der Frage, wann sie ihn heiraten sollte?
    »Helen«, sagte er, »jetzt gilt es. Ich weiß, daß die Entscheidung schwierig ist und dir angst macht. Ich habe weiß Gott auch meine Zweifel. Aber das ist ganz natürlich, und es kommt ein Tag, an dem ein Mann und eine Frau -«
    »Liebling, das weiß ich doch alles«, erwiderte sie völlig gelassen. »Es besteht wirklich kein Grund, mir Mut zuzusprechen.«
    »Nein? Ja, warum um Himmels willen sagst du dann nicht -«
    »Was?«
    »Sag ja. Sag, daß du mich heiraten willst. Sag irgendwas. Sag irgendwas, um mir ein Zeichen zu geben.«
    »Ach, entschuldige. Ich dachte nicht daran, daß du ein Zeichen brauchst. Ich habe nur überlegt.«
    »Was denn, Herrgott noch mal?«
    »Das Wichtigste an der ganzen Sache.«
    »Und was ist das?«
    »Aber Tommy! Du kennst mich doch! Was um alles in der Welt ich anziehen soll.«
    Er erklärte, es sei ihm völlig egal, was sie anziehen werde. Sie könne den Rest ihres gemeinsamen Lebens anziehen, was sie wolle. Sie könne in Sack und Asche

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