08 - Im Angesicht des Feindes
abgeschlossen.« Das war Robins Stimme.
Celia jedoch hatte gesagt: » Als er von dem Lehrgang zurückkam . .. «
Und Corrine hatte gerufen: »Als ich angerufen habe ... er war nicht da.«
Und diese letzten Worte waren die verräterischsten. Unablässig gingen sie Barbara im Kopf herum. Er war nicht da, er war nicht da, er war nicht auf dem Lehrgang. Weil er in London war und die Entführung vorbereitete. Er hatte Charlotte beobachtet und er hatte Leo beobachtet, sich mit dem Tagesablauf jedes der beiden Kinder vertraut gemacht, den Weg geplant, den er einschlagen würde, wenn der Moment kam, sie zu verschleppen.
»Barbara«, sagte Lynley. »Sind Sie noch da? Können Sie mich hören?«
»O ja, Sir«, antwortete sie. »Sehr gut. Die Verbindung ist ausgezeichnet.« Sie räusperte sich, weil sie merkte, daß ihre Stimme seltsam klang. »Ich habe nur gerade über das ganze Warum und Wozu nachgedacht. Sie wissen, was ich meine.«
»Sein Motiv? Es gibt da irgendwo noch ein drittes Kind, Barbara. Luxford hat neben Charlotte und Leo noch ein drittes Kind. Payne weiß, wer es ist. Oder wer die Mutter ist. Und das soll Luxford in seiner Zeitung veröffentlichen. Das war es, was er von Anfang an wollte.«
Barbara beobachtete ihn. Er streckte gerade die Hand nach einem Sortiment Kerzen aus, die aus dem Schrank gerollt waren. Rot, gold, silbern, pink, blau. Wie ist das nur möglich, dachte sie. Er sah nicht anders aus als noch vor wenigen Augenblicken, als er sie in seinen Armen gehalten und geküßt hatte, als er so getan hatte, als begehrte er sie.
Und während sie weiter Theater spielte, suchte sie immer noch nach einer kleinen Chance. »Die Fakten sind also ganz eindeutig?« fragte sie. »Ich meine, Harvie hat doch ausgesehen wie der Saubermann in Person, nicht? Ich weiß, daß wir gleich von Anfang an die Verbindung nach Wiltshire hatten, aber was den Rest angeht ... Ehrlich, Sir, ich will ja nicht unken, aber haben Sie wirklich jede andere Möglichkeit überprüft?«
»Sind Sie sicher, daß Payne unser Mann ist?« übersetzte Lynley.
»Das ist die Frage«, bestätigte Barbara.
»Wir sind so gut wie sicher. Nur der Fingerabdruck muß noch verglichen werden.«
»Welcher?«
»Der, den St. James in dem Kassettenrecorder entdeckt hat. Wir nehmen den Abdruck mit nach Wiltshire -«
»Jetzt?«
»Ja, jetzt. Wir brauchen eine Bestätigung von der Kriminalpolizei Amesford. Die haben dort seine Fingerabdrücke vorliegen. Wenn sie übereinstimmen, haben wir ihn.«
»Und dann?«
»Dann tun wir gar nichts.«
»Warum nicht?«
»Er muß uns zu dem Jungen führen. Wenn wir Payne vorher festnehmen, riskieren wir, das Kind zu verlieren. Wenn Luxfords Zeitung morgen früh ohne die Story herauskommt, die Payne zu sehen erwartet, wird er sich schnurstracks den Jungen vornehmen. Und dann schnappen wir ihn uns.« Lynleys Stimme war leise und eindringlich, als er fortfuhr. Er sagte, sie solle weitermachen wie bisher. Leo Luxfords Sicherheit, erklärte er, sei das allerwichtigste. Er betonte noch einmal, daß sie warten müßten und auf keinen Fall etwas unternehmen dürften, bis Payne sie an den Ort führte, wo er Leo Luxford versteckt hielt. Sobald sie von der Kriminalpolizei Amesford die Bestätigung hätten, daß die Fingerabdrücke übereinstimmten, sagte er, würden sie das Haus überwachen. Sie brauche bis dahin nichts weiter zu tun, als vorzugeben, es gehe alles seinen normalen Gang. »Winston und ich fahren jetzt los«, sagte er. »Halten Sie inzwischen die Stellung, Barbara. Schaffen Sie das? Können Sie einfach mit dem weitermachen, was Sie gerade getan haben, bevor ich angerufen habe?«
»Ich denke schon«, antwortete sie und fragte sich, wie zum Teufel sie das fertigbringen sollte.
»Gut«, meinte Lynley. »Er glaubt jetzt, wir hätten Alistair Harvie am Schlafittchen. Sie machen weiter wie bisher.«
»Ja. In Ordnung.« Sie legte eine kleine Pause ein und sagte dann, wie in Antwort auf eine Bemerkung Lynleys: »Morgen früh? In Ordnung. Das ist kein Problem. Wenn Sie Harvie erst eingebuchtet haben, wird er Ihnen schon sagen, was er mit dem Jungen angestellt hat. Da brauche ich hier wirklich nicht länger auf alle möglichen Büsche zu klopfen. Und um welche Zeit erwarten Sie mich im Yard?«
»Gut gemacht, Barbara«, lobte Lynley. »Also, halten Sie die Stellung. Wir machen uns jetzt auf den Weg.«
Barbara drückte auf den Knopf, um das Gespräch zu beenden. Sie beobachtete Robin, der immer noch auf dem Boden hockte
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