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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Abgeordneten sehen es offenbar anders.«
    »Das ist richtig«, pflichtete Rodney bei. »Aber soll es denn aussehen, als wollten wir die Regierung mit einer unendlichen Geschichte darüber zu Fall bringen, was ein schwachsinniger Abgeordneter in seiner Freizeit mit seinem Schwanz treibt? Zum Teufel, wir haben genug andere Munition, die wir gegen die Tories einsetzen können. Warum greifen wir also nicht -«
    »Sollten Sie in elfter Stunde moralische Skrupel entwickeln?« Luxford zog spöttisch eine Augenbraue hoch und wandte sich wieder seinem Brief zu. Er schlitzte den Umschlag auf und zog das gefaltete Blatt Papier heraus. »Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut, Rod.«
    Rodney bekam heiße Wangen. »Ich sage ja nur, wenn wir die Regierung mit schwerer Artillerie unter Beschuß nehmen wollen, dann sollten wir vielleicht darüber nachdenken, ob wir das Feuer nicht auf wesentlichere Ziele als auf kleine Abgeordnete und ihr Freizeitvergnügen richten wollen. Das tut die Presse doch seit Jahren, und was haben wir damit erreicht? Die Kerle sind immer noch an der Macht.«
    »Ich denke, unsere Leser sind der Meinung, daß ihren Interessen wohl gedient ist. Wie hoch, sagten Sie, waren unsere letzten Auflagenzahlen?« Das war Luxfords alter Trick. Er stellte solche Fragen nie, ohne die Antwort bereits zu wissen. Wie um das zu betonen, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Schreiben in seiner Hand.
    »Ich sage ja gar nicht, daß wir diese außerehelichen Sexspielchen ignorieren sollen. Ich weiß, daß das unser tägliches Brot ist. Aber wenn wir die Geschichte so drehen, daß es aussieht, als hätte die Regierung ...« Rodney merkte, daß Luxford gar nicht zuhörte. Vielmehr blickte er stirnrunzelnd auf den Brief in seiner Hand. Wieder strich er über seine Koteletten, aber diesmal war es keine leere Geste, diesmal war die Nachdenklichkeit echt. Rodney war sicher. Er sagte mit steigender Hoffnung, die er sich bemühte nicht zu zeigen: »Ist was, Den?«
    Luxford knüllte den Brief in seiner Hand zusammen.
    »Quatsch«, sagte er und warf das Papier zu den anderen in den Korb. Er griff nach dem nächsten Brief und schlitzte ihn auf.
    »So ein absoluter Bockmist«, sagte er. »Die große hirnlose Masse spricht.« Er überflog das nächste Schreiben und sagte dann zu Rodney: »Das ist der Punkt, in dem wir uns unterscheiden. Sie betrachten unsere Leser anscheinend als erziehbar, Rod. Während ich sie so sehe, wie sie sind. Das große Heer der Ungewaschenen und Unbelesenen. Denen man ihre Meinung füttern muß wie lauwarmen Haferbrei.« Luxford schob seinen Sessel vom Tisch weg. »Gibt es heute abend sonst noch was? Ich habe nämlich noch einen Haufen Anrufe zu erledigen, und zu Hause wartet eine Familie auf mich.«
    Ja, es gibt noch was, dachte Rodney. Deinen Job. Der mir zusteht, nachdem ich diesem verdammten Käseblatt zweiundzwanzig Jahre lang die Treue gehalten habe. Laut sagte er:
    »Nein, Den, nichts. Jedenfalls im Moment nicht.«
    Er ließ sein Schokoladenpapier zwischen die weggeworfenen Briefe des Chefredakteurs fallen und ging zur Tür.
    »Rod«, sagte Luxford, als er sie aufzog. Und als er sich umdrehte: »Sie haben Schokolade am Bart.«
    Luxford lächelte, als Rodney hinausging.
    Doch das Lächeln erlosch, sobald der andere verschwunden war. Dennis Luxford drehte seinen Sessel zum Papierkorb. Er zog den Brief heraus. Er glättete ihn auf dem Konferenztisch und las ihn von neuem. Er bestand nur aus der Anrede und einem einzigen Satz, und er hatte nichts mit Strichjungen, Autos oder dem Abgeordneten Sinclair Larnsey zu tun. ›Luxford - Verwenden Sie die Titelseite, um Ihr erstgeborenes Kind anzuerkennen, und Charlotte wird freigelassen. ‹
    Luxford starrte auf das Blatt hinunter. Das Pochen seines Blutes klang ihm hell und schnell in den Ohren. Rasch erwog er eine Handvoll Möglichkeiten, wer der Absender sein könnte, doch sie waren alle so unwahrscheinlich, daß er nur eine einzige, simple Lösung sah: Der Brief mußte ein Bluff sein. Dennoch griff er, vorsichtig, um die Reihenfolge, in der er die Korrespondenz weggeworfen hatte, nicht durcheinanderzubringen, in den Papierkorb und fischte den Umschlag heraus, der das Schreiben enthalten hatte. Ein Teil des kreisrunden Poststempels neben der Briefmarke, ein Viertel etwa, fehlte. Er war blaß, doch immerhin so deutlich, daß Luxford erkennen konnte, daß der Brief in London aufgegeben worden war.
    Luxford lehnte sich in seinem Sessel zurück und las die ersten

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