08 - Im Angesicht des Feindes
wohl gefühlt«, würde sie wohl gesagt haben, ehe sie das Haus wie üblich vor Morgengrauen verlassen hatte. »Er braucht seinen Schlaf. Er soll nicht gestört werden.« Und Mrs. Maguire hatte gehorcht. Jeder gehorchte, wenn Eve Bowen eine ihrer unmißverständlichen Anweisungen gab.
»Es hat überhaupt keinen Sinn, daß du jetzt auf Dennis losgehst«, hatte sie zu ihm gesagt. »Diese Geschichte muß ich allein erledigen.«
»Ich bin immerhin seit sechs Jahren Charlies Vater. Ich denke, da habe ich diesem Mistkerl einiges zu sagen.«
»Es hilft gar nichts, wenn du jetzt die Vergangenheit wieder aufrührst, Alex.«
Auch das war ein unmißverständlicher Befehl gewesen. Halte dich von Luxford fern. Halte dich aus diesem Teil meines Lebens heraus.
Alex war kein Mensch, der sich aus irgend etwas herauszuhalten pflegte. Er hatte seinen Erfolg als Geschäftsmann nicht dadurch erreicht, daß er sich heraushielt und andere die Strategien planen und die Kämpfe ausfechten ließ. Nachdem er fast die ganze Nacht nach Charlies Verschwinden wachgelegen und einen Plan nach dem anderen entworfen hatte, der ihre gesunde Heimkehr garantieren würde, war er um des lieben Friedens willen, um den Schein der Alltäglichkeit aufrechtzuerhalten, an dem ihr so viel zu liegen schien, bereitwillig zur Arbeit gegangen. Aber abends um neun hatte er restlos genug gehabt und beschlossen, nicht noch einen weiteren Tag zu vertun, ohne wenigstens einen seiner Pläne in die Tat umzusetzen. Er hatte bei Eve im Büro angerufen und ihr über diesen pomadigen Kerl, ihren Assistenten, im Unterhaus ausrichten lassen, sie solle ihn zurückrufen. »Und tun Sie's gleich«, hatte er zu Woodward gesagt, als dieser ihm mit Ausflüchten kommen wollte, um ihn abzuwimmeln. »Pronto. Das ist ein Notfall, verstanden?« Sie hatte schließlich um halb elf zurückgerufen, und er hörte an ihrer Stimme, daß sie glaubte, Luxford habe klein beigegeben und Charlie sei wieder zu Hause.
»Nichts Neues«, hatte er auf ihr gespanntes »Alex, was gibt es?« geantwortet.
In ganz anderem Ton sagte sie: »Warum rufst du mich dann an?«
Das, zusammen mit dem Alkohol, hatte ihm den Rest gegeben.
»Weil unsere Tochter verschwunden ist«, sagte er mit betonter Höflichkeit. »Weil dieser ganze Tag eine einzige widerliche Farce war. Weil ich seit heute morgen nicht mit dir gesprochen habe und gern wissen würde, was zum Teufel eigentlich los ist. Oder paßt dir das nicht, Eve?«
Er konnte sich vorstellen, wie sie besorgt einen Blick über ihre Schulter warf, denn ihre an sich schon leise Stimme wurde noch leiser. »Alex, ich rufe dich vom Unterhaus aus an. Du weißt wohl, was das heißt?«
»Heb dir deine Herablassung für deine Kollegen auf.«
»Hör mal, das ist weder die Zeit noch der Ort -«
»Du hättest mich ja auch von dir aus anrufen können. Jederzeit, den ganzen gottverdammten Tag lang. Dann stündest du jetzt nicht vor diesem heiklen Problem, mich vom Scheiß-Unterhaus aus anrufen zu müssen. Wo man ja nie weiß, wer einem zuhört. Das ist es doch, was dir Sorgen macht, nicht, Eve?«
»Hast du getrunken?«
»Wo ist meine Tochter?«
»Ich kann darüber jetzt nicht mit dir sprechen.«
»Soll ich hinkommen? Du kannst mir ja die letzten Neuigkeiten über das Verschwinden meiner Tochter im Beisein von ein paar Journalisten geben. Das gäbe bestimmt gute Publicity. Ach nein, das hatte ich vergessen, Publicity ist ja genau das, was du nicht willst. Richtig?«
»Alex, ich bitte dich, laß das. Ich weiß, daß du erregt bist, und du hast guten Grund dazu -« »Besten Dank.«
»- aber du mußt doch einsehen, daß wir in dieser Sache nur einen Weg beschreiten können, und zwar -«
»Eve Bowens Weg, ja, ich weiß. Dann sag mir doch bitte mal, wie weit du dich von Luxford eigentlich noch treiben lassen willst?«
»Ich habe mich mit ihm getroffen. Er kennt meine Position.«
Alex krampfte seine Hand um das Telefonkabel. Wäre es doch nur Dennis Luxfords Hals. »Du hast dich mit ihm getroffen? Wann denn?«
»Heute nachmittag.«
»Und?«
»Er will sie nicht freigeben. Jedenfalls im Moment nicht. Aber er wird sie freigeben müssen, denn ich habe ihm klar und deutlich gesagt, daß ich sein Spiel nicht mitspiele. Reicht dir das, Alex?«
Sie wollte vom Telefon weg. Es war deutlich zu merken, daß sie in den Saal zurückwollte. Zu einer Debatte, einer Abstimmung, einer weiteren Gelegenheit zu beweisen, mit welcher Souveränität sie einen Gegner niedermachen
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