08 - Im Angesicht des Feindes
seine Mutter auszukommen, darum sagte Luxford jetzt in abschließendem Ton: »Du mußt mir vertrauen, mein Junge.
Es ist zu deinem Besten, glaub mir. Und jetzt iß.«
Er widmete sich demonstrativ wieder seinem Frikassee, um anzudeuten, daß die Diskussion beendet war. Aber sie war nicht so verlaufen, wie er es sich gewünscht hatte, und Leos Haltung sagte ihm deutlich, daß er die Sache verbockt hatte. Fiona würde es ihm heute abend bestätigen.
Er seufzte. Seine Schultern schmerzten, körperlicher Ausdruck der seelischen Belastungen, die ihn niederdrückten. Es war einfach zuviel. Er konnte nicht mit allem gleichzeitig fertigwerden: mit Leo, Fiona, Sinclair Larnseys Eskapaden, Eve, Rod Aronsons Intrigen, anonymen Briefen, Drohanrufen und vor allem mit dem, was Charlotte zugestoßen war.
Er bemühte sich im Grunde ständig, nicht an das kleine Mädchen zu denken, und den Morgen über war ihm das auch ganz gut gelungen, indem er sich gesagt hatte, auf Eve werde die Schuld der Tatenlosigkeit lasten, wenn Charlotte etwas geschehen sollte. Er hatte keinen Anteil an ihrem Leben - gemäß dem Wunsch ihrer Mutter -, und durch nichts, was er tun konnte, würde er jetzt Anteil an ihm gewinnen. Er war nicht verantwortlich für das, was mit dem Kind geschah. Aber er war es doch. Im tiefsten Sinn war er für Charlotte verantwortlich, voll verantwortlich, und das wußte er auch.
Am gestrigen Abend hatte er an seinem Schreibtisch gesessen und unentwegt das Telefon fixiert. »Komm schon, Evelyn. Ruf an. Komm schon«, hatte er immer wieder gemurmelt, bis er die Drucklegung nicht länger hinausschieben konnte. Er hatte die Geschichte fertig daliegen. Mit Namen, Daten und Ortsangaben. Es bedurfte nur eines Anrufs von ihr, und die Story würde auf der Titelseite erscheinen, dort, wo der Entführer sie sehen wollte. Dann würde Charlotte freigelassen werden und nach Hause zurückkehren können. Aber Eve hatte nicht angerufen. Die Zeitung war mit der Strichjungen-Story auf der ersten Seite gedruckt worden. Und jetzt wartete Luxford auf die Katastrophe, wie immer sie auch aussehen mochte.
Er wollte sich einreden, daß der Kidnapper sich einfach an eine andere Zeitung wenden würde, am ehesten wohl an den Globe. Aber immer wenn er sich beinahe davon überzeugt hatte, daß es dem Entführer einzig um Publicity ging, ganz gleich, wo sie zu holen war, hörte er wieder die Stimme am Telefon. »Ich leg' sie um, wenn Sie die Story nicht bringen.« Er wußte nicht, was dem Entführer am wichtigsten war: die Todesdrohung, die Forderung, daß die Story veröffentlicht wurde, oder die Forderung, daß sie in seiner Zeitung erschien.
Indem er die Story nicht veröffentlichte, ließ er sich auf ein Spiel ein, ohne zu wissen, ob es überhaupt ein Spiel war. Die Tatsache, daß Evelyn das gleiche tat, konnte ihn nicht beruhigen. Sie hatte ihm bei Harrod's klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß sie glaubte, Charlottes Verschwinden sei sein Werk, und daß sie aufgrund dieser Überzeugung niemals nachgeben würde, da sie sich sicher sein konnte, daß er seinem eigenen Kind nichts antun würde.
Es gab, soweit er sehen konnte, nur eine Lösung. Er mußte Evelyns Überzeugung erschüttern. Er mußte ihr Denken ändern. Er mußte ihr klarmachen, daß er nicht der Mann war, für den sie ihn hielt.
Er hatte nicht die blasseste Ahnung, wie er das anfangen sollte.
9
Volltreffer, dachte Helen Clyde triumphierend nach ihrem Gespräch mit dem Hausbewohner von Cross Keys Close Nummer vier.
Sie hatten um halb zehn Uhr an diesem Morgen im Haus der St. James' eine Lagebesprechung abgehalten und Arbeitsteilung beschlossen. St. James würde, weiter auf Bretas Spur, die Geoffrey-Shenkling-Schule aufsuchen. Deborah würde eine Schriftprobe von Dennis Luxford besorgen, damit sie ihn als Verfasser der Entführerschreiben ausschließen konnten. Helen würde die Bewohner vom Cross Keys Close befragen, um herauszufinden, ob dort in den Tagen vor Charlottes Verschwinden eine verdächtige Person herumgelungert hatte.
»Die Schriftprobe von Luxford ist wahrscheinlich überflüssig«, hatte St. James gesagt. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er den Brief mit eigener Hand geschrieben hätte, wenn er die Kleine wirklich entführt hätte. Aber wir müssen es überprüfen. Wenn du also direkt zur Source gehen würdest, Liebes ...«
Deborah wurde blutrot. »Simon! Für so was bin ich völlig unbegabt. Das weißt du doch. Was soll ich denn zu ihm sagen?«
»Einfach
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