08 - Old Surehand II
machten. Er faßte sie an dem mit edlen Steinen geschmückten Griff und schlich sich hinter den Deutschen heran.
Dieser ließ soeben eine köstlich gearbeitete Kette durch seine Finger gleiten.
„Prachtvoll!“ sagte er. „Lauter Rubinen! Sie allein bildet einen bescheidenen Reichtum!“ Er ließ sie im Licht der Fackel flunkern und wollte sie dann fortlegen, kam aber nicht dazu, denn die Keule sauste auf ihn herab und traf seinen Kopf mit solcher Wut, daß er sofort zusammenbrach. Die Kette glitt aus seiner Hand, deren Finger sich öffneten.
Jetzt stieß der Graf einen wilden, unartikulierten Schrei aus.
„Gesiegt! Alles mein, alles, alles, alles!“ Ein fast wahnsinniges Entzücken bemächtigte sich seiner. Er sprang vor Freude empor und schlug die Hände zusammen wie ein Sinnloser. Wer ihn draußen so gesehen hätte, der hätte ihn für verrückt gehalten.
Da, was war das? Er stand plötzlich wie gelähmt; er erbleichte, seine Augen öffneten sich weit, als ob er Gespenster sehe. Aus der hinteren Ecke löste sich eine Gestalt, die ihre Augen erst erstaunt und dann mit einem grimmigen Leuchten auf ihn richtete. Es war ‚Büffelstirn‘, welcher von seinem Gang zurückkehrte und anstatt des Freundes einen andern erblickte, neben dem der Deutsche regungslos am Boden lag.
Mit zwei tigergleichen Sprüngen stand der Indianer beim Grafen und packte ihn.
„Hund, was tust du hier?“ rief er.
Der Gefragte vermochte kein Wort hervorzubringen. Diesem entsetzlichen Indianer war er nicht gewachsen; das wußte er. Er war verloren – aus dem höchsten Entzücken herab in den kalten, starren Tod gestürzt. Es lief ihm eiskalt über den Rücken, und er zitterte.
„Du hast ihn erschlagen!“ sagte ‚Büffelstirn‘, auf den Deutschen und die am Boden liegende Keule deutend.
Er rüttelte ihn mit einer Gewalt, als ob ein Riese ein kleines Kind gepackt habe.
„Ja“, stöhnte der Graf vor Angst.
„Warum?“
„Diese – diese Schätze sind schuld!“ stammelte er.
„Pah! Du bist sein Feind. Sein Tod war dir schon vorher erwünscht. Wehe dir, dreifach wehe!“
Er bückte sich, um den Freund zu untersuchen. Der Graf stand dabei wie eine leb- und bewegungslose Figur. Wie leicht konnte er die Keule erfassen und einen Kampf wenigstens versuchen. Aber er befand sich unter dem Zauber des Schatzes und unter dem Bann dieses berühmtesten der Ciboleros. Es ging ihm, wie die Sage von dem kleinen Vogel erzählt, der auch nicht flieht, wenn die Klapperschlange ihre Augen auf ihn richtet, sondern sich widerstandslos von ihr erwürgen läßt.
„Er ist tot!“ sagte ‚Büffelstirn‘, sich wieder erhebend. „Ich werde Gericht halten über dich, und dein Tod soll ein solcher sein, wie ihn noch keiner hier gestorben ist. Du bist der Mörder des edelsten und besten Jägers, den die Erde trug; ich werde dich tausendfach sterben lassen.“ Er stellte sich mit vor der Brust verschlungenen Armen dem Missetäter gegenüber. Seine riesige Gestalt reckte sich in ihren Muskeln, und sein Auge richtete sich faszinierend auf den Grafen.
„Ah, du bebst!“ sagte er verächtlich. „Du bist ein Wurm, eine feige Memme. Wer hat dir den Weg zu dieser Höhle verraten?“
Der Gefragte schwieg. Es war ihm, als sei der jüngste Tag hereingebrochen und er stehe vor dem ewigen Richter.
„Antworte!“ donnerte der Cibolero.
„Karja!“ hauchte der Graf.
„Karja? Meine Schwester?“
„Ja.“
Die Augen des Indianers funkelten wie glühende Fackeln.
„Sagst du die Wahrheit? Oder lügst du? Du nennst meine Schwester vielleicht nur, um Gnade zu erlangen und der Strafe zu entgehen!“
„Ich sage die Wahrheit; du kannst es mir glauben!“
„Ah, so mußt du teuflische Verführungskünste angewandt haben, um ihr das Geheimnis von El Reparo zu entlocken. Du hast ihr Liebe geheuchelt?“
Der Graf schwieg.
„Rede! Die Wahrheit kann dein Schicksal mildern. Weißt du, wie du sterben mußt?“
„Sage es“, bat Alfonzo schaudernd.
„Es gibt da droben am Berg ein Wasserloch; es ist nicht groß, aber es enthält die Abkömmlinge der zehn heiligen Krokodile, in deren Bäuchen die früheren Herrscher dieses Landes die Verbrecher begruben. Die Tiere sind über hundert Jahre alt; sie haben lange gehungert. Ich werde dich hinaufschaffen und an einen Baum hängen, daß du lebendig über dem Loch schwebst. Die Krokodile werden emporschnellen nach dir, dich aber nicht ganz erreichen. Sie werden sich um dich zerreißen; du wirst ihren stinkenden
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