08 - Old Surehand II
würde.
„Ja, das ist die Höhle des Königsschatzes“, wiederholte der Indianer. „Und dieser Schatz gehört nur allein mir und meiner Schwester Karja.“
„So bist du reicher als irgend ein Fürst der Erde!“ antwortete Helmers.
„Du irrst! Ich bin ärmer als du und jeder andre. Oder willst du den Enkel eines Herrschers beneiden, dessen Macht vergangen ist und dessen Reich in Trümmern liegt? Die Krieger, welche jene Rüstungen, Schilde und Waffen trugen, wurden von ihrem Volk geliebt und verehrt; ein Wort von ihnen gab Leben oder Tod. Ihre Schätze sind noch vorhanden, aber die Stätte, wo man ihre Gebeine niederlegte, ist von Weißen entweiht und zertreten worden. Ihre Asche wurde in alle Winde zerstreut. Ihre Enkel irren durch die Wälder und Prärien, um den Büffel zu töten. Der Weiße kam; er log und trog; er mordete und wütete unter meinem Volk um dieser Schätze willen. Das Land ist sein, aber es liegt verödet, und der Indianer hat die Schätze dem Dunkel der Erde übergeben, damit sie dem Räuber nicht in die Hände fallen. Du aber bist nicht wie die andern; dein Herz ist rein vom Verbrechen. Du hast meine Schwester aus den Händen der Komantschen errettet; du bist mein Bruder, und darum sollst du von diesen Schätzen so viel haben, wie ein Pferd zu tragen vermag. Doch nur zweierlei steht dir zu Gebote. Hier sind Goldkörner, ganze Säcke voll, und hier sind Ketten, Ringe und andrer Schmuck; wähle dir aus, was dir gefällt. Das andre aber ist heilig; es soll nie wieder beschienen werden von der Sonne, die den Untergang der Mixtekas gesehen hat.“
Helmers sah die Nuggets und das Geschmeide, ihm wurde fast schwindelig. „Ist dies dein Ernst?“ fragte er.
„Ich scherze nicht.“
„Aber das sind ja Hunderttausende von Dollars, die du mir schenkst!“
„Nein: es werden sogar Millionen sein.“
„Ich kann es nicht annehmen!“
„Warum? Willst du die Gabe des Freundes verachten?“
„Nein, aber ich kann nicht dulden, daß du dich meinetwegen beraubst!“
Der Indianer schüttelte stolz den Kopf. „Es ist kein Raub. Ich bringe kein Opfer. Was du hier siehst, ist nur ein Teil der Schätze, welche der Berg El Reparo verbirgt. Es gibt hier noch weitere Höhlen, von denen nicht einmal Karja, meine Schwester, etwas weiß. Nur ich kenne sie, und wenn ich einst sterbe, so wird kein menschlicher Gedanke mehr in diese Tiefen dringen. Ich werde jetzt gehen, um die andern Höhlen zu besuchen. Sie dir die Schätze an, und lege zur Seite alles, was du für dich auswählst. Wenn ich zurückkehre, beladen wir das Pferd damit und reiten heim.“
Er steckte die Fackel in den Boden und schritt nach der hintersten Ecke, in welcher er verschwand.
Der Deutsche stand allein inmitten dieser unermeßlichen Reichtümer. Welch ein Vertrauen mußte der Indianer zu ihm haben! Wie nun, wenn Helmers heimlich zurückkehrte, um sich weiter zu bereichern? Wie nun, wenn er den Indianer tötete, um Herr des Ganzen zu werden, von dem er nur einen kleinen Teil erhalten sollte? Aber kein einziger Gedanke kam dem ehrlichen Mann. Er fieberte fast schon darüber vor Wonne, daß er eine ganze Pferdelast Geschmeide und Nuggets mitnehmen durfte. –
Graf Alfonzo war, als er mit seinen beiden Dienern die Hacienda verlassen hatte, nicht direkt nach dem Berg El Reparo geritten; er hatte vielmehr die Arrieros aufzusuchen. Er ließ sein Tier so rasch ausgreifen, als es bei der Dunkelheit ohne Gefahr möglich war, und minderte diese Schnelligkeit auch nicht eher, als bis er das Tal erreichte, in welchem seine Helfershelfer lagerten.
Er wurde wieder wie gestern angerufen und gab die selbe Antwort. Nun durfte er an das Feuer treten, welches man schürte, damit man besser zu sehen vermöge.
„Seid ihr fertig?“ fragte er.
„Wir sind bereit“, antwortete der Anführer.
„Und Pferde?“
„Die haben wir von den Herden des Señor Arbellez eingefangen.“
„Wie viele?“
„Achtzehn für uns und dreißig für Sie.“
„Sind sie gesattelt?“
„Ja.“
„So laßt uns aufbrechen!“ – Erst jetzt fiel ihm ein, in welcher Verlegenheit er sich befand. Er konnte diese wüsten Menschen doch unmöglich mit in die Höhle nehmen. Sie hätten dieselbe ausgeräumt, nicht für ihn, sondern für sich. Doch hoffte er, daß sich wohl im rechten Augenblick ein Ausweg finden lassen werde. Die Männer holten ihre Pferde und Maultiere herbei und saßen auf. Er setzte sich mit dem Anführer an ihre Spitze, und man brach auf.
Alfonzo
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