08 - Old Surehand II
tausend Kehlen. Man kannte das prächtige Schiff, oder hatte wenigstens von ihm gehört und wußte, daß es die Jagd aufnehmen werde, auf welche sich die Aufmerksamkeit von ganz San Francisco richtete.
Zwei Männer in Seemannsuniform drängten sich durch die Menge. Sie sahen außerordentlich erregt und angegriffen aus. Der eine trug die Attribute eines Marinelieutenants, der andre die Steuermannsabzeichnung.
Ohne erst zu fragen, sprangen sie in ein leeres Boot, lösten es von der Kette, legten die Ruder ein und schossen auf die ‚Swallow‘ zu. Der Befehlshaber derselben stand am Regeling und blickte den Nahenden entgegen.
„Ahoi, Lieutenant Jenner, seid Ihr es? Wo habt Ihr den ‚l'Horrible‘?“ rief er herab.
„Schnell ein Tau oder das Fallreep, Sir“, antwortete dieser; „ich muß zu Euch an Bord!“
Die Treppe fiel nieder; die beiden Männer legten an und stiegen empor.
„Perkins, mein Maat“, stellte Jenner seinen Begleiter vor. „Herr, Ihr müßt mir augenblicklich Euer Schiff geben“, setzte er atemlos und in höchster Aufregung hinzu.
„Mein Schiff geben? Wieso – warum?“
„Ich muß dem ‚l'Horrible‘ nach.“
„Ihr müßt – ich verstehe Euch nicht.“
„Er ist mir gestohlen, geraubt, entführt worden.“
Parker blickte ihm in das Gesicht, wie man einen Wahnsinnigen beobachtet.
„Ihr treibt sonderbaren Scherz, Lieutenant!“
„Scherz? Der Teufel hole Euern Scherz! Mir ist es nicht wie Spaß. Vergiftet, vom Arzt gequält, von der Polizei gemartert und von der Hafenbehörde coujoniert, ist es einem nicht wie Fastnacht spielen.“
„Ihr sprecht in Rätseln.“
„Laßt Euch erzählen!“
Mit fürchterlicher Wut, die ihm die Glieder erbeben machte, trug er das Geschehene vor; er befand sich in einer Verfassung, die ihn zu der blutigsten Tat befähigt hätte, und schloß mit der Wiederholung:
„Wie gesagt, Ihr müßt mir Euer Schiff geben!“
„Das ist nicht möglich, Sir.“
„Was, nicht möglich“, rief Jenner mit funkelnden Augen. „Warum?“
„Die ‚Swallow‘ ist mir, dem Lieutenant Parker, anvertraut; ich kann sie nur auf höhern Befehl einem andern überlassen.“
„Das ist schändlich, das ist feig, das ist –“
„Herr Lieutenant –!“
Jenner fuhr bei dem drohenden Klang dieser Stimme zurück. Er gab sich Mühe, seine Erregung zu bemeistern. Parker fuhr in ruhigerem Ton fort:
„Ich will die Beleidigung als ungeschehen betrachten; der Zorn überlegt nicht, was er spricht. Ihr kennt die Gesetze und die Instruktion ebenso gut wie ich und wißt ganz genau, daß ich das Kommando meines Schiffes aus eigner Macht niemand anvertrauen darf. Doch will ich Euch beruhigen. Ich werde die Verfolgung des ‚l'Horrible‘ schleunigst aufnehmen. Wollt Ihr mich begleiten?“
„Ob ich will? Ich muß ja mit, und wenn es durch tausend Höllen geht!“
„Gut! War der ‚l'Horrible‘ wohl verproviantiert?“
„Auf höchstens noch eine Woche.“
„So ist ihm nichts andres übriggeblieben, als Acapulco anzulaufen; schon Guayaquil oder gar Lima kann er unmöglich erreichen.“
„So werden wir ihn bald haben. Ihr habt ja mir selbst den Beweis geliefert, daß die ‚Swallow‘ dem ‚l'Horrible‘ überlegen ist. Zieht die Anker wieder auf, Sir; vorwärts, fort, fort!“
„Nicht so hastig, Kamerad! Allzuviel Eile ist oft schlimmer als allzu langsam sein. Zunächst habe ich hier einige Geschäfte zu erledigen.“
„Geschäfte? Mein Gott, wer kann in solcher Lage an Geschäfte denken? Wir müssen augenblicklich in See stechen.“
„Nein, ich muß augenblicklich an das Land, um meine Instruktionen in Einklang mit unsrer Aufgabe zu bringen. Sodann habe nicht den nötigen Proviant; auch Wasser und Munition fehlt; ein Dampfer muß besorgt werden, der mich gegen die Flut aus dem Hafen bugsiert und – wieviele Kanonen hat der ‚l'Horrible‘?“
„Acht auf jeder Seite, zwei im Stern und eine Drehbasse vorn.“
„So ist er mir im Gefecht überlegen. – Forster!“
„Ay, Sir!“ antwortete, nähertretend, der Steuermann, dem von seinem bisherigen Platz aus kein Wort der Unterredung entgangen war.
„Ich gehe zur Meldung an Land und werde bis auf das Quai besorgen, was wir brauchen. Schickt einen Mann dort nach dem Schlepper; er scheint Zeit zu haben und soll sich in einer Stunde vor uns legen. Länger werde ich nicht abwesend sein.“
„Well, Sir!“
„Fällt Euch vielleicht etwas ein, was nötig wäre?“
„Wüßte nicht, Käpt’n. Weiß
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