08 - Old Surehand II
Lincoln. „Wir müssen –“
„Laßt sie, Sir“, fiel ihm Willmers in die Rede. „Morgen früh müssen wir ihre Spuren finden und werden ihrer Fährte folgen. Sie sind uns sicher. Aber der Bohrer! Fort, hinunter zu ihm!“
Die Frauen konnten vor Angst nicht sprechen. Wir Männer stürzten hinaus in das Freie. Doch kaum hatten wir einige Schritte getan, so ertönte ein gewaltiger Donnerschlag, und es war mir, als sei die Erde auseinandergerissen worden. Der Boden erzitterte, und als ich, auf das tiefste erschrocken, aufblickte, sah ich in der Gegend des Bohrers eine glühende Feuergarbe wohl sechzig oder noch mehr Fuß in die Höhe steigen; zugleich verbreitete sich ein penetranter Gasgeruch, welcher uns fast den Atem benahm.
„Das Tal brennt!“ schrie Willmers, und er hatte recht. Von dem Bohrloch abwärts loderte auf und über dem Fluß ein glühendes Feuermeer. Jones hatte Holmann befreit, und beide hatten, um sich zu rächen, den Erdbohrer wieder in Bewegung gesetzt und ein Licht dazu gestellt. Unglücklicherweise war das nur ganz kurze Zeit vor dem Augenblicke geschehen, an welchem der Bohrer in der Tiefe auf das Petroleum treffen mußte. Es wurde im Bohrloche empor getrieben, und die Gase, die es mit sich führte, hatten sich an dem brennenden Lichte entzündet. Nun schien abwärts von uns die ganze Atmosphäre zu brennen. Glücklicherweise konnte das Feuer uns nicht erreichen, und auch die Arbeiter nicht, deren Wohnungen nicht ganz am Flusse lagen. Dennoch lief ich hinunter, um zu sehen, ob sie vielleicht der Hilfe bedürften. Da erblickte ich eine Gestalt, welche dagestanden hatte, um das Feuer zu betrachten, aber sofort davonrannte, als sie mich bemerkte. Diese Flucht kam mir verdächtig vor, und ich lief nach. Je näher ich dem Manne kam, desto deutlicher sah ich, daß er durch irgend etwas im Laufen gehindert wurde; seine Arme bewegten sich nicht. Ich verdoppelte meine Schnelligkeit, erreichte ihn und erkannte Holmann, dessen Hände noch in den Schellen steckten. Ich faßte ihn, warf ihn nieder und kniete auf ihn; er versuchte, sich zu wehren. Der Handschellen wegen konnte sein Widerstand von keiner Bedeutung sein. Ich riß ihm das Tuch vom Halse und band ihm damit die Füße zusammen. Er knirschte vor Wut mit den Zähnen und funkelte mich mit grimmigen Augen an, ließ aber kein einziges Wort vernehmen. „Guten Abend, Master!“ sagte ich. „Euer Spaziergang hat nicht lange gedauert. Wollt Ihr mir wohl mitteilen, wo William Jones steckt?“
Er antwortete nicht.
„Gut! So werden wir versuchen, ihn ohne Euch zu finden.“
Ich nahm ihn beim Kragen und schleifte ihn nach dem Wohnhaus zurück, wo er sofort wieder eingesperrt wurde. Dann zerstreuten wir Männer uns, um nach Jones zu suchen. Wir hatten Zeit dazu, weil wir das Feuer jetzt doch nicht bewältigen konnten; aber alle Mühe war vergebens; wir fanden ihn nicht; er war entkommen.
Das Feuer brannte, wie ich vorher berichten will, noch einige Tage fort; dann gelang es dem Ingenieur, es zunächst einzudämmen und dann ganz auszulöschen. Viel geschadet hat es nicht, wenigstens nicht so viel, wie Jones und Holmann beabsichtigt haben mochten, von denen es wahrscheinlich auf unser Leben abgesehen war. Später hörte ich einmal, daß der Kanada-Bill sich am untern Mississippi sehen lasse und mit dem Spiel ein schönes Geld verdiene. Seitdem sind Jahre vergangen; ich hoffe aber, daß er noch lebt und mir einmal in die Hände kommt. Dann ist ihm meine Kugel sicher und gewiß.
Holmann wurde, als die Kähne nach dem Missouri gingen, von Lincoln fortgeschafft. Das gab einen Abschied, der mir nicht wenig zu schaffen machte, denn der brave Abraham war mir gewaltig an das Herz gewachsen. Ich durfte nicht mit. Fred Hammer und Guy Willmers meinten, das ginge nicht, und die Ladies baten so schön, daß ich nicht anders konnte, ich mußte bleiben.
Später erfuhren wir, daß Holmann für die Lebenszeit in die Zelle gekommen ist.
Abraham Lincoln ist, wie ich es ihm ja gesagt hatte, nicht beim Lawyer stehengeblieben, sondern hat es bis zum Höchsten gebracht, was ein braver self-man werden kann; er ist Präsident der Vereinigten Staaten geworden und hat leider für das, was er Gutes tat und wollte, einen Schuß bekommen; Fluch dem Schurken, der ihn abfeuerte!
Und ich? Man ließ mir keine Ruhe, ich mußte bei Willmers mein Wigwam aufschlagen. Arrow ist damit nicht zufrieden gewesen, und auch ich habe zuweilen ein heilloses Zwicken in den Glieder bekommen,
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