08 - Old Surehand II
Name ist Lincoln, Abraham Lincoln. Ich komme von den Bergen herunter und will mir hier ein Floß zimmern, um das Holz im Süden zu verkaufen. Ich bin erst seit einer Stunde hier. Eine Bande Bushheaders, die Eure Braut geraubt haben, sagt Ihr? Wie stark sind sie wohl?“
„Zehn bis zwölf Köpfe.“
„Zu Pferde?“
„Ja.“
„Bounce! Ich habe vor ganz kurzer Zeit eine Spur von grade so viel Pferden quer durchschnitten und eine ähnliche ganz hier in der Nähe wiedergefunden; doch schien es mir, als ob die letztere ein Dutzend Hufe mehr gezeigt hätte.“
„Das ist mein Vater mit zwei Nachbarn, die ihnen schon vor mir gefolgt sind.“
„Stimmt! Ihr seid also vier gegen zwölf. Wollt Ihr meine Arme haben?“
„Gern, wenn Ihr sie mir leiht!“
„Gut. Come on!“
Er nahm seine Sachen zu sich, hing die Büchse auf die eine und warf die Axt über die andere Schulter. Dann schritt er vorwärts, als ob es sich ganz von selbst verstehe, daß ich ihm folgen müsse.
„Wohin, Sir?“ fragte ich, da er eine Richtung einschlug, die meine frühere im Winkel schnitt.
„Den Männern nach; was sonst! Ein Stück weiter oben haben sich die Bushheaders vom Fluß weg nach Norden gewandt, und wir kürzen den Weg, wenn wir schon jetzt dasselbe tun.“
Er hatte eine so eigene, sichere Art und Weise, daß es mir gar nicht einfiel, ihm zu widersprechen. Ich ließ ihn daher voranschreiten und hielt mein Pferd hart hinter ihm. Sein Schritt war lang und ausgiebig, wie man ihn selten findet, und wäre ich nicht beritten gewesen, so hätte es mich sicher nicht wenig Mühe gekostet, ihm zu folgen. So ging es fort, bis er an einer Stelle halten blieb und auf den Boden zeigte.
„Hier ist die Fährte wieder. Zwei, sechs, neun, elf, fünfzehn Pferde! Als ich die Spur vorhin überschritt, waren es nur zwölf. Die Eurigen sind also auch vorüber, und das kaum vor einer Viertelstunde, denn die niedergebogenen Halme haben sich noch nicht wieder empor gerichtet. Laßt Euer Tier ausgreifen, damit wir sie bald erreichen!“
In gewaltigen Schritten eilte er vorwärts. Wahrhaftig, ich mußte mein Tier in einen kurzen Trab setzen, um nicht zurückzubleiben.
Der Wald hatte schon längst aufgehört und war in ein niedriges, durchbrochenes Gebüsch übergegangen. Jetzt kamen wir auf eine lichte, offene Bucht, welche die Prärie tief in das Gehölz hineinschob; in der Ferne jedoch bemerkten wir wieder einen dichten Streifen starken Holzes, und zwischen ihm und uns bewegten sich drei Reiter, nach Indianersitte einer hinter dem andern. Die Sonne war verschwunden, und es wollte sich zur Dämmerung neigen, doch konnten wir sie deutlich erkennen. Lincoln hob den Arm.
„Dort sind sie. Go on!“
Er warf sich in weiten Sprüngen vorwärts, indem er den Schwerpunkt immer auf das eine Bein legte und, wenn dies müde wurde, ihn auf das andere überwechselte. Das ist die einzige Art, einen solchen Lauf lange auszuhalten. So wurde die Entfernung zwischen uns und ihnen schnell kleiner, und da sie uns bemerkten und nun stehenblieben, hatten wir sie bald erreicht.
„Endlich, Tim!“ rief uns der Vater entgegen. „Wer ist dieser Mann?“
„Ein Mister Abraham Lincoln, den ich am Fluß traf und der uns helfen will. Aber erzählt nichts; ich weiß schon alles. Macht nur vorwärts, daß wir die Räuber einholen!“
„Sie sind nicht mehr weit und werden dort im Wald ihr Lager aufschlagen wollen. Vorwärts, ehe es dunkel wird und wir ihre Spur verlieren!“
Es ging weiter, ohne Worte, aber das Messer locker und die Büchse schußgerecht in der Hand. Als wir die ersten Bäume erreichten, bog sich Lincoln nieder, um die Fährte genau zu untersuchen. Dabei sagte er:
„Laßt uns noch einmal sehen, woran wir sind, Gentlemen! Im Dunkel des Forstes läßt sich das nicht mehr sehen. Hier diese Hufeindrücke sind die tiefsten; das Pferd hat eine schwerere Last zu tragen als die anderen; es wird also dasjenige sein, welches den Reiter und das Mädchen zu schleppen hat. Und seht, es lahmt; der linke Hinterfuß stößt nur mit der vorderen Schärfe auf den Boden. Sie werden ihm Ruhe gönnen müssen und bald absteigen.“
„Well, Sir, ich gebe Euch recht“, meinte der Vater. „Macht rasch weiter, Leute!“
„Stopp, Mister! Das wäre ein ganz gewaltiger Fehler. Ich rechne, daß sie höchstens eine Viertelstunde vor uns sind, und vielleicht haben sie sich schon gelagert. Wollt Ihr Euch durch die Pferde verraten und uns den schönen Spaß
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