08 - Old Surehand II
daran. Wir zwei haben ihm das Grab gemacht und ein Vaterunser über demselben gebetet.
Der ‚Kleine Hirsch‘ ritt bald von dannen. Er ließ sich nicht halten. Und als die schwer geprüfte Frau ihm einen Teil des Goldes anbot, sagte er stolz:
„Behalte deinen Staub. Der Apache weiß, wo Gold in Menge zu finden ist, aber er sagt es keinem Menschen und verachtet es. Der große Geist hat den Menschen erschaffen, nicht daß er reich, sondern daß er gut werde. Möge er dir von nun an soviel Glück geben, wie du bisher Leid erfahren hast!“
Er stieg auf und ritt von dannen.
Am andern Vormittag verließen auch wir die Gegend, Joseph und seine Mutter mit uns nehmend. Der alte Gaul trug das Gold und das übrige wenige Eigentum von Mutter und Sohn, der Fuchs die Lady und mein Brauner den Knaben; Will und ich schritten nebenher. Im nächsten Settlement, wo Mutter und Sohn eine bessere Reisegelegenheit abwarten konnten, nahmen wir Abschied von ihnen, denen die Windhose so schlimme Aufklärung, dafür aber auch die Mittel zu einer besseren Existenz gebracht hatte. –
Schon während der vorigen Erzählung, welche von dem Überfall des Zuges und der Trappergesellschaft Sam Fire-guns handelte, war ein Herr aus einer Stube getreten, welche an den großen Gastraum stieß, und hatte sich an dem nächsten Tisch niedergelassen. Die Nebenzimmer sind gewöhnlich zum Aufenthalt für bessere Gäste bestimmt, woraus ich schloß, daß dieser Herr entweder kein gewöhnlicher Mann oder ein bevorzugter Bekannter der Wirtin sei. Es war ihm anzusehen, daß ihn die Erzählung herbeigezogen hatte, denn er schenkte ihr eine ganz ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Dabei nickte ihm Mutter Thick zuweilen in sehr bezeichnender Weise zu, winkte, ihn dabei anblickend, bei gewissen Stellen der Erzählung mit der Hand nach dem Tisch hin, an welchem der Erzähler saß, und ließ mich durch dieses Nicken und Winken vermuten, daß der betreffende Herr zu den Personen oder Ereignissen, von denen erzählt wurde, in irgendwelcher Beziehung stehe. Ich wurde in dieser Ansicht dadurch bestärkt, daß er der darauffolgenden kürzeren Geschichte viel weniger Aufmerksamkeit als der vorhergehenden schenkte, auch hatte er einmal die Finger an den Mund gelegt, um der Wirtin still zu sagen, daß sie schweigen möge. Er wurde mir dadurch so interessant, daß ich ihn beobachtete, was aber selbstverständlich in einer solchen Weise geschah, daß er es nicht bemerkte. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt und von der Sonne tief gebräunt, als hätte er sich im wilden Westen oder überhaupt nur im Freien bewegt; dennoch hielt ich ihn nicht für einen eigentlichen Westmann, denn seine durchgeistigten Züge, seine mehr nach innen gerichteten Augen und die Denkerfalte über der Nasenwurzel ließen auf einen anderen Beruf als denjenigen eines Trappers schließen. Er war mir darum ein Rätsel, denn es gibt sehr wenig Berufsarten, welche neben geistiger Arbeit auch ein Herumstreifen in Prärie und Urwald erfordern, und selbst dann pflegt es weniger Beruf als vielmehr Liebhaberei zu sein, wie zum Beispiel bei dem Ethnographen, welcher die letzte Geschichte erzählt hatte.
Als er damit zu Ende war, fügte er an sie die Bemerkung:
„Ihr werdet jetzt zugeben, daß es schon vor Winnetou bei den Apachen intelligente und achtenswerte Leute gab. Oder war das Benehmen dieses roten Knaben etwa nicht achtenswert? Und zugleich ist meine Geschichte auch wieder ein Beweis dafür, daß es Weiße gibt, die viel schlimmer sind als der schlimmste Indianer. Es befinden sich unter diesen Weißen oft Personen, die nach Stand und Bildung jedem anderen ein gutes Beispiel geben sollten, anstatt dessen aber wahre Muster der Ruhelosigkeit und Niederträchtigkeit sind. Habe zum Beispiel da kürzlich von einem spanisch-mexikanischen Grafen erzählen hören, der sich mit den wilden Komantschen zum Überfall seiner eigenen Hazienda und zur Ermordung von deren Bewohnern verbunden hatte. Wenn da nicht der Apachenhäuptling ‚Bärenherz‘ und der Häuptling der Mixtekas ‚Büffelstirn‘ gewesen wären, so hätten alle Weißen dort in das Gras beißen müssen.“
„Kennt Ihr diese Geschichte?“ wurde er gefragt.
„Ausführlich nicht. Ich hörte nur so einige Andeutungen. Es kam auch ein berühmter weißer Jäger dabei vor, dessen Name, wenn ich nicht irre, ‚Donnerpfeil‘ war.“
„Und ein Graf spielte den Halunken, ein wirklicher Graf?“
„Ein wirklicher Graf, dessen Vater einer der
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