08 - Old Surehand II
Personen eher tragen konnte als mein lahmer Brauner, zog die Zitternde zu mir herauf, so daß sie quer auf meinen Knien lag, ergriff meinen Lahmen am Zügel und folgte dem voransprengenden Salters.
Das war alles so schnell geschehen, daß vom ersten Erblicken der Windhose bis jetzt nicht mehr als eine Minute vergangen war. Ich hatte es nicht bequem. Mit der Rechten mußte ich die Frau halten und mit der Linken den Fuchs leiten und auch den Braunen führen. Aber es ging. Als wir eine ziemlich bedeutende Strecke zurückgelegt hatten, rief ich Will zu, jetzt anzuhalten. Er tat es, und wir drehten uns um.
Die Trombe hatte fast den Fluß erreicht. Von Luft und der Wolke war nichts mehr zu sehen. Sie bildete ein finsteres Ungetüm, genau von der Gestalt einer Sand- oder Eieruhr, aber von riesenhafter Größe, in welcher ausgerissene Sträucher, Steine und mächtige Rasenstücke mit ganzen Wagenladungen von Sand rundumgewirbelt wurden – ein entsetzliches, überirdisch erscheinendes Ungetüm.
Jetzt hatte sie das Ufer erreicht. Wird sie halten bleiben – sich am jenseitigen Ufer fortbewegen, auf- oder abwärts – vielleicht in sich zusammenfallen? So fragten wir uns. Der Mensch, der in ihren Bereich kam, war sicher verloren. Turmhoch auf und nieder und um sich selbst gewirbelt, mußte er ersticken, wenn er nicht vorher zur Erde geschmettert oder von den sich mit ihm drehenden Massen zerquetscht wurde.
Sie hielt an, als ob sie sich besinnen wolle. Der obere, nach abwärts sich verjüngende Trichter neigte sich herüber, die bisherige Richtung fortzusetzen. Er zerrte an dem unteren Trichter; fast schien es, als ob er sich von demselben losreißen wolle. Da tat es einen fürchterlichen Krach; die dunkleren, kompakteren Massen, Sand, Steine, Sträucher, Rasen verschwanden, und eine lange Wassersäule stieg auf, erst von zylindrisch gleichmäßiger Gestalt, dann sich in der Mitte einengend, die frühere Figur eines gleichmäßigen Doppelkegels annehmend. Aus der Windhose war eine Wasserhose geworden, die sich, wie zornig über den am Fluß erlittenen Aufenthalt, nun mit doppelter Schnelligkeit fortbewegte, augenblicklich die Blockhütte erfassend, gerade auf uns zu.
„Fort jetzt! Da rechts hinüber!“ schrie ich auf.
Die Pferde waren nur schwer für den kurzen Moment zu halten gewesen. Sie erkannten die Gefahr und schossen fort, daß wir sie gar nicht anzutreiben brauchten. Den Blick auf die Wirbelhose gerichtet, sah ich zu meiner Freude, daß sie eine westliche Richtung nahm. Sie entfernte sich von uns. Wir konnten anhalten und waren gerettet, wenn sie nicht umkehrte.
Aber dieses letztere geschah nicht. Sie bewegte sich in ungeminderter Schnelligkeit weiter, nicht mehr durchsichtig wie am Wasser, sondern wieder dunkel und undurchsichtig. Sie hatte alles, worauf sie stieß, von der Erde auf- oder emporgerissen. Wir sahen, wie sie wuchs und an Mächtigkeit gewann. Alles, was sie nicht in sich zu halten vermochte, weit von sich schleudernd, verfolgte sie verderbenbringend ihren Weg, bis auf einmal von fern her ein donnerndes Getöse erscholl, unter dem die Erde erbebte – sie war verschwunden.
Aber fast in dem selben Moment hatte sich, wir wußten gar nicht wie, der ganze Himmel schwarz umhüllt, und es stürzte ein Regen hernieder, dessen Tropfen größer als eine Erbse waren.
„Unser Haus, unsere Wohnung! Was ist aus ihr geworden?“ jammerte die Frau, jetzt zum erstenmal ihr Schweigen brechend.
Statt der Antwort setzten wir die Pferde in scharfen Trab und kehrten nach dem Blockhaus zurück. Nach dem Blockhaus? Nein; das war nicht mehr vorhanden. Es war auseinandergerissen, auseinander gedreht, wie man ein dünnes, haltloses Strohgeflecht zerfetzt. Die schweren, mannesstarken Stämme und Klötze, aus denen es bestanden hatte, waren weit, weit mit fortgeschleppt und dann wieder zur Erde geschleudert worden. Von der Fenz war keine Spur zu sehen, keine einzige Planke, keine Latte, keine Stange – alles durch die Lüfte mit davongewirbelt.
Die Frau sank vor Entsetzen in einen Zustand der Empfindungslosigkeit. Das war uns lieb. Ich dachte an ihren Mann, an ihren Sohn, an den jungen Indsman. Ich wußte, seit ich die Zeichnung besaß, wo die Genannten zu finden seien – dort an dem Berg, an welchem die Windhose in sich zusammengestürzt war, weil er als ein unüberwindbares Hindernis in ihrem Weg gelegen hatte. Wie aber mochte sie geendet haben? Jedenfalls wie eine sterbende Gigantin, welche im Todeskampf alles
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