0806 - Die Hexe von Köln
Wort angesichts der Gläubigen, die Kerzen aufstellten oder in stille Gebete versunken waren.
Am liebsten hätte Samira laut aufgelacht. Wenn die Kirchenbesucher geahnt hätten, dass unter ihren Füßen ein Geschöpf lebte, das ihren sämtlichen christlichen Vorstellungen widersprach, wären sie Hals über Kopf ins Freie geflüchtet. Oder sie hätten ihre Gebete umso inbrünstiger geführt.
»Ganz ruhig«, flüsterte Samira ihrer Katze zu, die im Innern des Gotteshauses wie immer ängstlich wirkte. »Hier sind wir in Sicherheit.«
Selina gab einen zweifelnden Laut von sich. Sie hatte ihre eigene Meinung zu diesem Thema, würde ihre Herrin aber trotzdem niemals im Stich lassen, weil sie damit auch gegen Stygias Willen verstoßen hätte.
Im hinteren Bereich der Kathedrale, nahe dem Altar, führten Stufen in die Tiefe. Von einem Gittertor gesichert, verwehrten sie den Dombesuchern den Zugang zu dessen unterirdischen Bereichen, doch Samira ließ sich davon nicht aufhalten. Sie vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete, und stieg entschlossen über das Hindernis hinweg. Am Fuß der Treppe versperrte eine verschlossene schmiedeeiserne Gittertür den Durchgang, aber auch sie stellte für die Hexe kein Hindernis dar.
Sie schloss die Augen, murmelte einen rituellen Spruch, und die Tür sprang geräuschlos auf.
Dunkelheit erwartete Samira.
***
»Die Geistermörderin im Kölner Dom?«, fragte Nicole, wobei ein Lächeln ihre Lippen kräuselte. Sie sah auf das Amulett in Zamorras Hand und machte sich ein Bild von der Frau, die möglicherweise eine mehrfache Mörderin war. »Ist das nicht genau das, was man unter Blasphemie versteht?«
Zamorra ließ den Blick über die Dombesucher wandern. »Eher Missbrauch des Kirchenasyls«, murmelte er sarkastisch, schüttelte aber dann den Kopf und fuhr ernsthaft fort: »Vielleicht fühlt sie sich hier sicher. Womöglich denkt sie, dass man sie nicht ausgerechnet an diesem Ort vermutet. Viel nützt ihr das aber nicht, denn der Dom wird über Nacht geschlossen. Spätestens dann muss sie ihn wieder verlassen.«
»Oder sie hat sich hier häuslich eingerichtet«, warf Claus Wagenbach ein. »Das würde ich ihr aber persönlich übel nehmen. Ich lasse meinen Dom nicht entweihen.«
» Ihren Dom?«, fragte Nicole amüsiert und raunte Zamorra zu: »Die spinnen, die Kölner.«
»Kein Wunder, teilweise stammen wir ja auch von den Römern ab, und wie schon Obelix stets sagte…«
Zamorra schaltete die Ohren auf Durchzug und eilte weiter, die bildliche Darstellung des Amuletts nicht aus den Augen lassend. Die junge Frau war nicht zu den Seiten ausgewichen, wo Nebentüren die Seitenschiffe flankierten, sondern war dem Verlauf des Langbaus bis in den rückwärtigen Kirchenteil gefolgt.
Vor dem Dämonenjäger lag der Altar, an den sich der Chorumgang anschloss. Am östlichen Ende war auf einem Sockel, durch starkes Panzerglas gesichert und mit Alarmeinrichtungen versehen, der Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige zu sehen. Neben seinen Studien hatte Zamorra sich in seinem Hotelzimmer im Internet mit Informationen über das größte gotische Bauwerk Deutschlands versorgt, sodass er sich einigermaßen zurechtfand.
Er wandte sich nach rechts und ging ein paar Meter, bis eine undefinierbare Ahnung ihn innehalten ließ. Für einen Moment verwandelte sich das Bild in der Mitte des Amuletts in ein verschwommenes Wallen, das ihm die Sicht raubte. Dafür geriet von der Seite her eine Bewegung in sein Blickfeld, die so schnell war, dass sie bereits wieder verschwunden war, als sein Gehirn darauf reagierte.
»Eine Katze!« Nicole fuhr herum.
Gleichzeitig gab das Amulett den Blick wieder frei, und Zamorra sah die braunhaarige Frau deutlich. Rechts verschwanden Stufen im Boden des Doms, in deren Richtung sie sich bewegt hatte. Zamorra erinnerte sich, gelesen zu haben, dass weite Teile unterhalb des Doms von Archäologen freigelegt worden waren. Sowohl die Fundamente früherer Kirchen als auch Hinterlassenschaften aus den Zeiten der römischen Besiedelung waren dabei entdeckt worden.
Sein neu erworbenes Wissen wurde von einer Frage verdrängt, die viel naheliegender war. Wo war der Schatten geblieben, der die junge Frau begleitet und das Amulett genarrt hatte?
»Die Katze…« Er hatte eine plötzliche Eingebung. »Sie ist der Schatten.«
»Dann hat sie mit dieser Sache zu tun.« Nicole rannte los, hinter dem schwarzen Vierbeiner her.
»Eine Katze als Mörder?« Wagenbachs Stimme
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