Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0807 - Das Gespenst von Angus Castle

0807 - Das Gespenst von Angus Castle

Titel: 0807 - Das Gespenst von Angus Castle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
entgegen. Ich verstand die Geste und beugte mich vor.
    Sie küßte mich auf beide Wangen.
    Hart mußte ich schlucken. In der Kehle brannte es plötzlich und auch in meinen Augen.
    Horace F. Sinclair tat nichts. Er saß auf seinem Stuhl, als wäre für ihn eine Welt zusammengebrochen, und mir tat es gut, die weichen Lippen meiner Mutter zu spüren.
    »Mein Junge«, sagte sie und schaute zu, wie ich mich wieder hinstellte.
    »Soll ich dich jetzt fragen, was du glaubst, John?«
    Ich hielt ihre Hände fest, spürte die Wärme der Haut und gleichzeitig deren Schauer. »Ich weiß es nicht, Mum. Ich weiß nicht, was ich jetzt fühlen soll.«
    »Du glaubst schreckliche Dinge.«
    Ich hob die Schultern.
    »Schau mir in die Augen, John. Bitte, tu es. Glaubst du, daß ich es getan habe?«
    Es war eine Suggestivfrage, und ich wußte nicht, was ich ihr antworten sollte. Glauben, Wissen – das waren Begriffe, die mir so fremd vorkamen. Nein, ich glaubte es nicht. Ich konnte es einfach nicht nachvollziehen.
    »John – Junge, ich möchte eine Antwort haben. Du hast das Beil gesehen. Glaubst du, daß ich es getan habe? Daß ich für einen…«, das nächste Wort fiel ihr am schwersten, »Mord verantwortlich bin?«
    »Tja, es sieht…«
    »John!« Ihre Stimme drängte nach einer Antwort. »Du bist mein Sohn. Ich will die Wahrheit von dir hören. Es ist jetzt wie früher, als du noch ein Kind warst und auf meinem Schoß gesessen hast. Oftmals mit einem schlechten Gewissen, denn mit deinen Streichen hast du bestimmte Menschen oft geärgert. Es geht hier nicht mehr um einen Streich. Es geht um Glaubwürdigkeit und um unsere Familie, mein Junge. Deshalb brauche ich von dir eine Antwort. Du hast mir früher auch immer die Wahrheit gesagt.«
    »Ja, Mutter, ich werde dir auch jetzt die Wahrheit sagen. Ich glaube es nicht. Ich kann es nicht glauben, daß du jemand mit dem Beil getötet hast.«
    Sie schwieg. Die Sekunden waren schwer und lastend. Die tropften dahin wie Blei. Meine Mutter schaute mir in die Augen, als wollte sie prüfen, ob ich die Wahrheit gesagt hatte.
    Dann, die Zeit kam mir doppelt oder dreifach so lang vor wie in Wirklichkeit, schüttelte sie den Kopf. »Ich habe es nicht getan, John. Ich habe weder einen Menschen noch ein Tier damit getötet. Das kann ich dir schwören.«
    Mir fiel in diesem Augenblick mehr als ein Stein vom Herzen, sondern schon ein großer Felsen. Das Poltern aber hörte nur ich.
    Ich drehte den Kopf und blickte meinen Vater an. Er hatte sich nicht gerührt, obwohl er die Worte seiner Frau mitbekommen haben mußte.
    Der Wunsch, beide Eltern in meine Arme zu schließen, drängte sich in mir hoch, doch ich hielt mich zurück und dachte in diesen Augenblicken wie ein Polizist. »Gut, Mum, wenn du kein Lebewesen getötet hast, dann würde mich interessieren, woher das Beil stammt.«
    »Das sollst du wissen, mein Junge. Ich habe es gefunden.«
    »Wo?«
    »In der Nähe. Hinter dem Haus. Es steckte im Körper eines Schafs. Das Tier war tot. Wahrscheinlich sollte es geschlachtet werden. Vielleicht ist es auch krank geworden, das weiß ich nicht genau. Ich habe das Beil aus der Wunde gezogen und es an mich genommen.«
    »Und warum?«
    Ein weiches Lächeln umspielte ihre Lippen. »Manchmal denkt eine Mutter schon wie ihr Sohn. So ist es auch bei mir gewesen. Ich habe mir einfach gedacht, daß es besser ist, wenn ich die Waffe an mich nehme, als daß sie in falsche Hände gerät.«
    »Das war gut, Mutter. Könntest du mir verraten, an wen du dabei gedacht hast?«
    »An eine Frau, die hier wohnt. Sie heißt Gilda McDuff. Sie ist schlimm und gefährlich.«
    Ich wandte den Blick ab und schaute zu meinem Vater hin, der ebenfalls gehört haben mußte, was wir sprachen. Er wirkte noch immer so statuenhaft, doch seine Hände bewegte er bereits. Er rieb sie gegeneinander, hatte die Stirn gefurcht und machte den Eindruck eines Menschen, der scharf nachdachte.
    Er räusperte sich, stützte sich an der dicken Tischplatte ab und stand auf. Seine Schritte waren schleppend, als er auf uns zukam.
    »Ich denke, daß ich mich entschuldigen muß«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich habe dich wirklich für eine Mörderin gehalten, Mary.«
    Er preßte für einen Moment die Finger gegen die Augen. »Alles sprach so gegen dich, als du plötzlich hereingekommen bist.«
    »Das kann ich verstehen, Horace.«
    Ich trat zur Seite, damit sich meine Eltern umarmen und Frieden schließen konnten. Natürlich war mit der Erklärung meiner Mutter

Weitere Kostenlose Bücher