0807 - Universität der Dämonen
ernst nehmen, wie er geschäftig sein Notizbuch zurücksteckte, sich über den schütteren Haaransatz fuhr und Zamorra kollegial auf die Schultern klopfte. Und doch war die Bedrohung real, und Dumuel wirkte nicht wie jemand, der Witze riss.
Zamorras Gedanken rasten, aber sie taten es ziellos. Seine Konzentrationsfähigkeit war weiterhin massiv eingeschränkt. Wie sollte er nur einen Ausweg aus dieser Lage finden, wenn er nicht einmal zielgerichtet darüber nachdenken konnte?
Seine Verzweiflung musste sichtbar geworden sein, denn der besessene Professor sah es als notwendig an, Zamorra zu beruhigen.
»Das wird schon, verehrter Kollege, das wird schon. Sie werden sich im Kollegium wohl fühlen. Es tut auch gar nicht weh! Ich sage Ihnen was: Gleich nach Vollendung des Bannes machen wir ein großes Kolloquium. Sie werden es nicht glauben: Wir haben uns sogar einen Beamer angeschafft! Sie können Powerpoint-Präsentationen vorführen! Wir sind auf dem neuesten Stand!«
Zamorra entrang sich ein Stöhnen.
Dumuel nickte zufrieden. »Ich wusste, dass Ihnen das gefallen würde!«
***
Professor Dr. Schoenmeister hatte sich angewöhnt, Selbstgespräche zu führen. Er war immer ein Eigenbrötler gewesen, sodass die Beschäftigung mit sich selbst keine neue Verhaltensweise war, doch seit vor gut vier Jahren das mit ihm passiert war, kurz nachdem er die Anstellung an der Vincent-Universität angenommen hatte…
Bis heute konnte er nicht richtig in Worte fassen, welcher Vorgang sich exakt abgespielt hatte. Schoenmeister war trotz - oder gerade wegen - seiner intellektuellen Rationalität immer vom Übernatürlichen fasziniert gewesen. Die Tatsache, dass er sich bereits in frühen Jahren mit dem Mystischen befasst hatte, mochte dazu beigetragen haben, dass er die Erkenntnis, von einem Dämonen besessen zu sein, hatte rationalisieren können.
Die Persönlichkeiten anderer Besessener waren im Verlaufe der Zeit weitgehend unterdrückt worden, doch bei Schoenmeister war das anders. Nicht, dass er eine ebenso starke Affinität zum Bösen gehabt hätte wie Crazzar, sein Dämon, es war vielmehr die Tatsache, dass sowohl für Schoenmeister wie auch für den Dämon wissenschaftliche Erkenntnis das Hauptmotiv ihrer Existenz war. Diese Gemeinsamkeit überwand alle moralischen und ethischen Unterschiede, sie zügelte sogar das natürliche Machtstreben Crazzars.
Die beiden so unterschiedlichen Wesenheiten hatten sich in gewisser Hinsicht nach einiger Zeit aufeinander eingelassen, und Schoenmeister war voller Neugierde in die neuen Erkenntnis- und Wissenswelten getaucht, die ihm Crazzar eröffnete. Natürlich bestand im Grunde kein Zweifel, wer in Konfliktfällen das Sagen hatte, doch war es - von einer kurzen Anfangsphase abgesehen - nie zu einem Machtkampf gekommen.
Das Denken und Handeln beider Wesenheiten hatte sich dermaßen aufeinander abgestimmt, dass im Grunde gar keine Konflikte mehr auftraten. Manchmal vermochten die beiden Entitäten im Körper des Professors nicht einmal mehr ihre Gedanken und Absichten voneinander zu trennen, so waren sie ineinander verschlungen und aufeinander bezogen.
Die Gefahr war dabei für die Dämonen größer als für Schoenmeister: Während er sich mit der Situation weitgehendst angfreundet hatte, brachte er für den Rest des dämonischen Lehrkörpers eine unerwartete menschliche Komponente in die Gleichung. Selbst ihnen war es manchmal kaum möglich, zwischen Äußerungen Crazzars und Schoenmeisters zu unterscheiden.
Dies hatte noch nie die Form einer Bedrohung angenommen - die Kollegen von der psychologischen Fakultät hatten es sogar sehr faszinierend gefunden und mit Schoenmeister viele Tiefeninterviews geführt. Dennoch wurde Crazzar/Schoenmeister mit Misstrauen beobachtet, und die beiden so gleichen Wesenheiten waren sich dieser Beobachtung durchaus bewusst.
Sie konnten es den anderen Besessenen nicht einmal übel nehmen, denn sie hatten ja Recht: Schoenmeister verfolgte, im Bunde mit dem Dämon, eigene Ziele, die nicht immer in Einklang mit denen von Professor Dr. Rösen, dem eigentlichen Chef, standen.
Man hatte sich in der Vergangenheit immer arrangiert, und das klappte auch recht gut, solange sich niemand allzu sehr in die Forschungsvorhaben des menschlich-dämonischen Duos einmischte.
Doch nun…
Doch nun saß Schoenmeister regungslos in seinem Büro, während sein Geist zusammen mit dem anderer Kollegen in jener durch sie geschaffenen Halbwelt weilte, die die Parallele zur
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