0808 - Das unheimliche Herz
abfahren müssen. Das gibt es. Dieser Kanal hier gehört zu den alten. Es wird kaum noch etwas verschifft. Ihr werdet sogar an den beiden Seiten noch Treidelpfade finden.«
»Dann sind wir also allein auf dem Wasser?«, vermutete ich.
»Das kann durchaus sein.« Bob hob die Hände und senkte sie wieder. Fast streichelnd umfasste er das Ruder. »Wer hier fährt, der tut es zum Vergnügen, aber es werden immer weniger Menschen. Viele sind zu verwöhnt. Sie kommen mit der Natur nicht mehr zurecht. Vor allen Dingen nicht mit den verdammten Insekten. Ich für meinen Teil kenne diese Strecke relativ gut. Da haben wir vor einigen Monaten Dealer gejagt.« Die Erinnerung daran ließ ihn grinsen.
»War eine heiße Jagd, die hätte direkt in einen Bond-Film gepasst.«
»Hattet ihr Erfolg?«
»Und wie. Das Boot der Dealer raste die Böschung hoch, lernte fliegen, prallte auf, explodierte schließlich und verbrannte mit Menschen und dem Heroin.«
»Nicht schlecht.«
»Ja, wir hatten auch kein Mitleid mit den Dealern. Diese Schweine haben unzählige Menschen auf dem Gewissen gehabt. Es waren übrigens Weiße, die aus dem Norden kamen.« Er zwinkerte mir zu.
»Nicht alle Dealer sind farbig, auch wenn es in den TV-Serien oft so erscheint.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
Ich verließ ihn und ging bis zum Bug des Schiffes, um dort stehen zu bleiben. Mein Blick glitt über die Wasserfläche hinweg, die völlig veralgt war. An manchen Stellen sah das Wasser sogar aus, als bestünde es ausschließlich aus Schlamm.
Der Bug schob auch keinen weißen Bart vor sich her. Irgendein grünes Zeug umquirlte ihn. Auch dieser alte Kanal stach kerzengerade in das flache Land hinein und schien an seinem Ende mit dem Horizont verschmelzen zu wollen. Das war ungefähr dort, wo die heiße Luft am meisten flimmerte und zitterte, aber zuvor sah ich noch einen Schatten, der die Wasserstraße von einer Seite zur anderen überspannte.
Es war eine alte Brücke. Wir näherten uns langsam, und ich konnte erkennen, dass sie aus Holz bestand.
Zwei fast kopfhohe Wände bildeten die seitlichen Abgrenzungen.
Zwischen ihnen lief die Fahrbahn durch, und an den vier seitlichen Trägern der Brücke wuchsen so dichte Schatten, dass ich nicht einmal hindurchschauen konnte.
Hier hatte sich die Natur festgeklammert und hervorragende Bedingungen gefunden, um sich ausbreiten zu können. Das dichte Strauchwerk ragte bis in das Wasser hinein. Es waren schon Mangrovenwurzeln, die sich im Grund festklammerten und durch ihren breiten Wuchs die Fahrrinne verengten.
Ich wusste auch nicht, was mich an der Brücke störte. Zumindest hob ich die dunkle Brille an, um ihre Einzelheiten besser erkennen zu können. Es war nichts da, was mich misstrauisch werden ließ.
Der Weg oder die schmale Straße, die links und rechts auf die Brücke zulief, war leer und dampfte unter der Sonnenglut.
In meiner Umgebung war es still geworden. Nur das Geräusch des tuckernden Motors begleitete mich bei meinen noch immer misstrauischen Gedanken. Ich drehte mich um.
Suko hatte sich hingehockt und seinen Platz auf vier übereinander liegenden Rettungsringen gefunden. Als er meine Bewegung sah, hob er sein Kinn an. »Ist was Besonderes zu sehen, John?«
»Nein, nur eine Brücke.«
»Leer.«
»Schau selbst.«
Er winkte ab. »Wenn du das so sagst, dann ist es okay. Ach so, Bob hat gesagt, dass wir in einer halben Stunde ungefähr am Ziel sind. Er wird bald Kontakt mit der River Police aufnehmen.«
»Warum?«
»Der Wagen geht ihm nicht aus dem Sinn. Im Nachhinein ist er misstrauisch geworden. Er will wissen, ob das Fahrzeug bei den Kollegen bekannt ist. Mehr Spuren haben wir ja nicht.«
Da brauchte ich nichts hinzuzufügen.
Ich schaute wieder nach vorn und stellte fest, dass die Brücke ziemlich nahe herangerückt lag. Sie überspannte den Kanal zudem in einer geringeren Tiefe, als es zuvor aus der Ferne ausgesehen hatte. Dort, wo das dichte Buschwerk wuchs, war die Luft so feucht geworden, dass sich Nebel hatte bilden können.
Ich schaute zum linken Ufer.
Da war nichts.
Ich blickte zum rechten.
Auch hier sah ich das Buschwerk. Grün bis schwarz, sehr dicht, aber doch mit Lücken versehen.
Durch eine Lücke schimmerte etwas Gelbes.
Dort stand der Wagen!
***
Ich tat zunächst gar nichts. Auf keinen Fall wollte ich durch zu heftige und verräterische Bewegungen auffallen, die irgendwelche Gangster auf mich aufmerksam gemacht hätten. Zudem hatten wir noch eine kleine
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