0809 - Das Schlangenkreuz
doch wir gingen davon aus, dass es sehr schlimm gewesen sein musste, und deshalb schauten wir uns auch sehr intensiv um und leuchteten mit den Lampen gegen die dunklen Ecken und Stellen, die sich überall verteilten.
Etwas huschte davon.
Ein Schatten, mehr nicht. Mir gelang es, den Schatten mit dem Lichtstrahl zu verfolgen. Der Kegel wanderte über das glänzende Fell einer Ratte.
Ich glaubte nicht, dass sich der Geistliche vor dem Tier soerschreckt hatte.
Crane hatte den Mann gedreht und auf die leere Altarplatte gesetzt. »Holt den Verbandskasten aus dem Wagen!«, rief er uns zu.
»Wir müssen den Pater verarzten.«
Suko rannte los. Ich ging auf den Altar zu, um mir die Verletzung aus der Nähe anzusehen.
Sie sah nicht gut aus.
Bob Crane hatte den Arm angehoben und die Hand so gedreht, dass wir auf die Fläche schauen konnten. Sie sah nicht mehr so aus wie sonst. Quer über die Hand hinweg zog sich ein dicker roter Steifen, aus dem Blut und eine wässrige Flüssigkeit strömten. Pater Domingo musste starke Schmerzen haben, doch er biss die Zähne zusammen, und kein Laut drang über seine Lippen.
Ich schaute den G-Man fragend an. Crane hatte meinen Blick bemerkt und hob die Schultern. »Genaues kann ich auch nicht sagen, aber er muss sich die Hand verbrannt haben.«
»Ja, so sieht es aus. Nur frage ich mich, woran er sie sich verbrannt hat. Ich sehe kein Feuer.«
»Weiß ich nicht. Wir werden ihn fragen müssen.«
Domingo hatte seine gesunde Gesichtsfarbe verloren. Er war sehr bleich, zitterte, schluckte immer wieder und pfiff schließlich den Atem über die Lippen. Als Suko zurückkam, nahm er ihn kaum wahr. Mein Freund stellte den Verbandskasten auf die Altarplatte, und wir schauten uns noch einmal die Verletzung an, bevor wir sie desinfizierten.
Der Geistliche zuckte einige Male zusammen, doch er hielt sich tapfer, nur in den Augen schimmerten die Tränen, wobei nicht feststand, ob er wegen seiner Schmerzen weinte oder aus einem anderen Grund.
Suko erwies sich als geschickter Sanitäter. Ein breiter Verband umschloss als heller Streifen die Hand des Mannes, der seinen Arm wieder senkte.
»Sind Sie einigermaßen okay, Pater?«
Domingo nickte dem G-Man zu. »Ja, ja«, flüsterte er, »es muss ja gehen. Es wird schon gehen.«
Er schaute auf seine Hand und versuchte, sie zu bewegen, das schaffte er nicht, denn die geringste Bewegung verursachte höllische Schmerzen.
»Diese Brut hat meine Kirche entweiht«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Sie haben sich nicht geschämt, das Heiligste zu nehmen, was uns geblieben ist. Schaut euch um, sie haben gehaust wie die Vandalen, sie haben das Gotteshaus beschmiert, sie haben die Figuren und die Bilder zerstört, und sie haben ihren Hass hinterlassen…«
»Haben Sie denn jemand gesehen?«, fragte Crane.
Domingo starrte ins Leere. Er gab eine Antwort, doch anders, als wir sie uns vorgestellt hatten. »Sehen konnte ich keinen, aber ich sah die Ratten in meiner Kirche…«
»Sind Sie von ihnen gebissen worden?«, wollte ich wissen.
Er starrte mich an und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht von ihnen. Es war das Kreuz.«
»Wie… wie bitte?«
»Ja, das Kreuz.« Er hob den gesunden Arm an und deutete gegen die leere Wand. »Dort hat es gehangen.«
»Und was geschah damit?«
»Jetzt ist es weg!«
»Sie haben es genommen?«
Der Pater überlegte einen Moment, bevor er nickte. »Ja«, sagte er dann, »ich habe es genommen. Ich holte es von der Wand. Es ist das einzige gewesen, das mir noch blieb.« Als er weitersprach, zuckte er zusammen. »Aber es war nicht mehr das Kreuz, so wie ich es kannte. Es… es sah nur noch so aus. Ansonsten hatte es sich verwandelt. Das Böse hat gewonnen. Es wurde… es wurde …«, er schloss die Augen. »Gott, ich kann es noch immer nicht begreifen.« Er holte noch einmal Luft. »Es wurde zu einer bösartigen Schlange.«
Jetzt wussten wir Bescheid und waren trotzdem noch immer so schlau wie zuvor.
Suko schaute mich an, ich den Pater, und gemeinsam mit Bob Crane hoben wir die Schultern.
»Ihr begreift es nicht…«
»Nein«, sagte der G-Man.
»Ich werde es euch erzählen.«
In den folgenden Minuten lauschten wir der Schilderung des Paters, die an keinem von uns spurlos vorüberging. Ich sah auch keinen Grund, den Worten des Mannes zu misstrauen, im Gegenteil, ich bekam allmählich Angst davor, dass sich das Böse noch weiter ausbreiten könnte und wir nicht in der Lage waren, es zu stoppen.
Die Schlange
Weitere Kostenlose Bücher