0810 - Der Geist des Hexers
vorgestellt hatte.
Ich schaute hin.
Es zuckte und schlug. Es pulste, und in seinem Innern bewegten sich Blutsäfte. Sie waren rot, sie schmatzten, tief in ihm vergraben arbeitete eine gewaltige Pumpe, angetrieben durch eine furchtbare Magie.
An das Pochen hätte ich mich eigentlich gewöhnen müssen. Ich hatte es nicht. Jeder Schlag kam mir vor, als hätte er mich selbst erwischt. Auch die gesamte Umgebung gefiel mir nicht. Sie war einfach zu schaurig, aber dennoch passend, denn das sich verteilende Licht der Fackeln ließ nichts aus. Zudem war mein Kopf wieder frei von den Szenen der Vergangenheit. Jeden Schlag bekam ich als Dröhnen mit, als sollte mir der Schädel malträtiert werden.
Kiki Lafitte hatte ihren Kopf noch so drehen können, um in meine Richtung zu schauen. Sie stierte mich an, in ihren Blicken lag das Flehen um Hilfe. Das alles sah ich und zögerte trotzdem, aber nicht, weil mich der Mann mit dem Pferdeschwanz auslachte und mir mit zischenden Worten klarmachen wollte, dass ich keine Chance hatte, das Herz zu zerstören. »Es ist einfach zu mächtig, Bulle, und es hat die Kleine in seinen Besitz genommen. Es wird sie nie, nie mehr loslassen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich hätte hingehen und es trotzdem versuchen können. Da war irgendetwas, was mich davon abhielt. Ich konnte den Grund nicht benennen. Er war tief in meinem Innern vergraben und sogar im Innern der Brust, als befände sich dort mein Gehirn, das mir eine Warnung zukommen ließ.
Noch nicht… noch nicht …
Immer wieder hörte ich diese Warnung. Sie peitschte mich voran, sie hielt mich gleichzeitig zurück, und in mir fand ein ewiges Wechselspiel statt. Was war das nur?
Ich drehte mich um.
Es war nichts zu sehen, dennoch hatte ich den Eindruck, als würde sich etwas nähern.
Was schlich denn heran und wurde nicht gesehen? War es eine Gefahr, war es das Böse, war es…?
Meine Gedanken brachen ab.
Was sich bisher nicht gerührt hatte, geschah nun. Urplötzlich meldete sich das Kreuz.
Nicht so wie sonst. Es war keine Wärme, die von ihm abstrahlte, sondern ein Blitzstrahl, heiß und gleichzeitig wie mit einem scharfen Messer geführt, dessen Klinge tief in meine Brust drang und auch das Herz nicht verschonte.
Der Schmerz war so stark, dass er mich beinahe betäubt hätte. Vor meinen Augen drehte sich die sichtbare Welt. Ich sackte nach vorn, fing mich wieder, riss meinen Oberkörper hoch und hörte das Lachen meines Gefangenen, der sich über meine Reaktionen freute.
»Jetzt wirst du vernichtet, du Hund!«
Ich achtete nicht auf ihn.
Ein zweiter Schmerz durchfuhr meine Brust, kaum dass ich mich von dem ersten erholt hatte. Sternförmig wischte und blitzte er um mein Herz herum als Zentrum. Er breitete sich aus, bis er meine Rippen erreicht hatte und setzte sich dort fest.
Ich stöhnte. Mit unsicheren Bewegungen taumelte ich zurück. Die Wand stoppte mich.
Ich blieb stehen, den Mund weit aufgerissen und die schlechte Luft keuchend einatmend.
Das Kreuz hatte mich in diese Lage gebracht. Ausgerechnet das Kreuz, das bisher immer mein größter Freund und Helfer gewesen war. Es hatte für diesen barbarischen Schmerz gesorgt, und ich kam damit überhaupt nicht zurecht.
Es war ja nicht nur das körperliche Leiden, das seelische kam noch hinzu. Ich begriff einfach nicht, dass dieses Kreuz die Seiten gewechselt hatte.
Warum war es zu einem Feind geworden? Denn nur Feinde sorgen für Schmerzen.
Noch stand ich an der Wand, stützte mich ab und hatte die Arme ausgebreitet, um noch mehr Halt zu bekommen. Das half auch nichts, die Marter blieb, wenn auch nicht so stark, bis zu dem dritten Schlag, der mich erwischte.
Diesmal schrie ich.
Death, der Gefangene, lachte. Im Gegensatz zu mir hatte er seinen Spaß. Ich aber wurde so stark erwischt, dass ich die Umgebung nicht mehr wahrnehmen konnte. Für mich sah das Bild so aus, als hätten die Fackelflammen das Herz überschwemmt und waren nun dabei, es vollständig zu zerschmelzen.
Der letzte Schlag war der schlimmste gewesen. Ein Dutzend Messerspitzen zugleich hatten sich in meinen Körper gebohrt und bewegten sich darin im Uhrzeigersinn. Sie wühlten, sie drangen tiefer, sie wollten töten und vernichten, mir das Leben nehmen, so dass eigentlich aus zahlreichen kleinen Wunden das Blut in meine Kleidung hätte rinnen müssen, doch es war rein imaginäres Blut, das da strömte. Alles nur Einbildung, aber immerhin so stark, dass diese mich bis an den Rand der totalen
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