0811 - Begegnung auf Olymp
Ergebnis lief darauf hinaus, daß sich sein Gefangener aus mindestens drei verschiedenen Personen zusammensetzte.
Natürlich kannte der Vario das Phänomen der Schizophrenie, des Spaltungsirreseins. Aber er hatte noch nie davon gehört, daß sich die Symptome dieser Krankheit zu einer derartigen Vollkommenheit herausbilden konnten.
„Wollen Sie mir nicht wenigstens sagen, wo wir sind?" bat Kershyll Vanne.
„Ich weiß zwar nicht, was Ihnen daran liegt, aber meinethalben - wir sind auf Olymp."
Übergangslos begann der Gefangene zu lachen, er lachte, bis ihm die Tränen kamen. Hathor Manstyr wollte gegen diese Frechheit protestieren, aber zu mehr als einem würgenden Husten reichte es nicht.
„Sparen Sie sich die Mühe - Majestät!"
Zum zweitenmal war der Vario fassungslos. Bevor er sich von seinem Schreck erholt hatte, setzte der Fremde seine Offensive auf geistiger Ebene fort.
„Sie sind Kaiser Anson Argyris, der Herrscher der Freifahrer. Oder soll ich Sie Vario nennen, Vario-500?"
Anson Argyris schaltete seine Maske sozusagen ab. Er wußte, daß es keinen Sinn mehr hatte, den gebrechlichen Alten zu mimen.
„Sie wissen verdächtig viel. Woher kommen Sie?"
Die Antwort versetzte dem Vario den nächsten Schock.
„Ich komme von der Erde oder Terra, wenn Ihnen dieses Wort lieber ist!"
„Ach nein", höhnte der Vario. „Und wo ist sie, die Erde? Und wie haben Sie hergefunden? Was wollen Sie eigentlich überhaupt?"
„Ich will das NEI erreichen. Ich muß mit Julian Tifflor sprechen. Ich habe einen wichtigen Auftrag zu erfüllen, wichtig für die gesamte Menschheit."
Die Zweifel des Vario wuchsen.
„Berichten Sie mir von der Erde, aber mit möglichst vielen Details!"
Kershyll Vanne überlegte kurz, was er dem Robotkaiser erzählen sollte. Dann sprach er von der Aphilie und von anderen Dingen, die nur eine Person wissen konnte, die einige Zeit auf der Erde verbracht hatte.
„Es hört sich gut an, was Sie mir sagen. Die Informationen, die Sie mir gegeben haben, entsprechen der Wahrheit. Ich habe Sie, seit die SOL die Milchstraße besucht hat. Aus dieser Quelle könnten auch Sie geschöpft haben!"
„Können wir diese Zweifel nicht später diskutieren?" bat Kershyll Vanne. „Ich habe es eilig. Ich muß so schnell wie möglich zu Julian Tifflor. Als Normalmensch bin ich gegen Sie ohnehin wehrlos. Welches Risiko gehen Sie schon ein?"
„Ich gehe ein Risiko ein", beharrte der Vario, dann feuerte er ins Blaue. „Sie sind kein Normalmensch.
Was sind Sie?"
Kershyll Vanne senkte den Blick wie ein ertappter Sünder.
„Sie haben recht", sagte er schließlich leise. „Ich bin kein normaler Mensch. Ich bin ein Konzept!"
„Ein was?"
„Konzept. Ich werde es zu erklären versuchen!"
„Ich bitte darum", sagte der Vario-500 und richtete vorsichtshalber seine Waffe wieder auf seinen Besucher.
Kershyll Vanne begann zu erklären, und Anson Argyris begann zu verstehen. Mehr noch: der Plasmateil seiner Persönlichkeit war von der Erzählung des Konzepts unerhört beeindruckt.
Die geistige Verwandtschaft faszinierte das Plasma. Hier wie dort das gleiche Problem - mehrere, völlig verschiedene Persönlichkeiten. Während sich in dem Konzept sieben verschiedene Bewußtseinsinhalte einen Körper teilen mußten, konnte der Vario seinen Körper wechseln - und damit auch die Persönlichkeit. Nur ein gewisser Kern blieb immer gleich. Im Grunde genommen waren die beiden so verschiedenen Wesen fast Pendants zueinander, eine Art Zwillingsverwandtschaft in der Konstruktion verband sie.
„Ich glaube Ihnen", sagte der Robot schließlich. „Ich werde den Käfig öffnen!"
Roctin-Par wartete.
Stunden waren vergangen, seit er mit dem Kaiser von Olymp gesprochen hatte. Seit dieser Zeit hatte sich Her Vario nicht mehr gemeldet. Roctin-Par konnte sich nicht vorstellen, daß dem perfekten Robot etwas zugestoßen sein sollte, also mußte sein Stillschweigen andere Gründe haben.
Immer wieder sah der Lare auf seine Uhr.
Was war vorgefallen?
Erleichtert atmete der Provconer auf, als das Funkgerät ansprach.
„Hier spricht Anson Argyris, Kaiser von Olymp. Ich rufe das Schiff, das auf meiner Welt gelandet ist!"
„Typisch Argyris", kicherte Roctin-Par. „Er ist eines der letzten lebenden Wesen auf einer Welt, auf der er wie ein Hase gejagt wird - aber die großsprecherischen Reden hat er noch nicht verlernt."
Laut sagte er: „Hier Roctin-Par. Wir erwarten Sie an Bord, Majestät. Brauchen Sie Transporter für Ihre ...
Weitere Kostenlose Bücher