0811 - Die Aibon-Amazone
Antwort kann ich dir jetzt schon vorwegnehmen. Sie wird aus einem Pfeil bestehen, der deinen hübschen Hals in der Mitte durchbohrt.«
»Warum?«
»Weil sie es sich nicht leisten kann…«
»Nein, nein, nein!« Jane redete hart in meine Antwort hinein. »Das glaube ich einfach nicht. Es kommt immer darauf an, wie man dieser Person gegenübertritt.«
»Was hast du dir da ausgedacht?«
»Ich werde einfach hingehen und mit ihr reden. Sie kennt mich. Ich bin gespannt, wie sie reagiert. Ich werde ihr auch erzählen, dass wir sie im Visier haben und dass sie sich einen Mord an mir sehr genau überlegen sollte.«
»Du hoffst, dass sie darauf eingeht.«
»Wenn sie vernünftig ist…«
»Was sagst du, Suko?«
Der Inspektor hob die Schultern. »Tja, ich weiß nicht so recht. Auf der einen Seite könnte Jane richtig liegen. Auf der anderen aber…«, er unterbrach sich. »Verflixt noch mal, ich weiß einfach zu wenig über diese Aibon-Amazone. Wir kennen sie nicht, wir wissen nicht, wie sie reagieren wird und wo sich ihre Schmerzgrenze befindet.«
»Ich werde es herausfinden!« erklärte Jane. »Da steht zwischen uns noch eine Rechnung offen.«
»Nerven hast du, das muss man dir lassen.«
Jane grinste mich an. »Es ist mein Job, wenn du verstehst. Ich fühle mich einer gewissen Evelyn Dale gegenüber verpflichtet, auch wenn sie nicht mehr lebt. Aber ich mag es nun mal nicht, wenn Menschen in meinem Beisein getötet werden.«
»Ja, das verstehe ich.«
»Du hättest doch ähnlich gehandelt.«
»Sicher.«
»Na bitte.«
»Trotzdem dürfen Suko und ich doch etwas Angst um dich haben, oder nicht?«
»Sicher.« Sie lachte. Dann kam sie zu mir und legte ihre Hände gegen meine Wangen. »Es ist alles okay, John, es ist alles wunderbar. Ich will dir auch den Grund nennen. Ich gehe mit gutem Gewissen hin, denn ich weiß, dass ihr beide in der Nähe sein werdet.«
»Kannst du hellsehen?«
»Leider nicht.«
Daran hatte ich tatsächlich gedacht. Als ich Sukos Blick auffing, nickte mein Freund. Auch er wollte in der Nähe dieser seltsamen Insel sein. Wir mussten uns nur noch überlegen, wie wir es am besten anpackten. Da würde uns schon etwas einfallen.
Jane schob Suko zur Seite und verließ das Schlafzimmer. »Wo willst du denn hin!« rief ich ihr nach.
»Ich werde Sarah Goldwyn sagen, dass ich vorbeikomme und mich kurz umziehen will.«
»Warum das denn? Gehst du zu einem Fest?«
»Dass nicht gerade, aber die Konkurrenz ist groß, wie du sicherlich weißt, John.«
Ich nickte nur.
Suko hob die Schultern.
***
Noch vor drei Tagen hatte ein regelrechtes Hitzepaket, über dem Land gelagert. Wer eben konnte, hatte Urlaub genommen und war an die Küste gefahren. Doch immer stand die Südküste unseres Landes dabei an erster Stelle. Auch wenn sich nicht jeder einen Urlaub in Brighton leisten konnte, so war die Umgebung des berühmten Seebads von Touristen doch sehr in Beschlag genommen.
Das hatte sich mit dem Wetterumsturz geändert. Der Juni hatte uns die so genannte Schafskälte beschert, einen Temperatursturz von beinahe zwanzig Grad, und das hatte auch die größten Wasserfans vertrieben. Da die eigentliche Badesaison erst in zwei, drei Wochen begann, war es an der Küste relativ ruhig. Wer hier jetzt Urlaub machte, ging nicht ohne Pullover und Windjacke spazieren und stemmte sich gegen den Wind.
Auch wir hatten Pullover übergestreift und gleichzeitig die Öljacken, die das Wasser abhielten, denn das Meer war ziemlich bewegt, und oft genug wirbelte das Spritzwasser über Deck, wenn die Wellen zu querliefen und unser Boot durchschüttelten.
Suko und ich hatten uns entschlossen, das Ziel von der Seeseite her in Augenschein zu nehmen. Wir wollten beobachten und uns allmählich heranpirschen.
Das Boot hatte uns die Küstenpolizei zur Verfügung gestellt. Es war nicht als Polizeiboot zu erkennen, und so hofften wir, uns nicht verdächtig zu machen.
Mir gefiel die Kühle sehr. Auch das wogende Wasser, seine graublaue Farbe, der Schaum auf den Wellenkämmen, das alles war wild und natürlich, es gehörte einfach in unsere westliche Region und zu unserem Klima. Wenn ich da an die brütende Schwüle in Louisiana dachte, wo ich meinen Dolch verloren hatte, so gefiel mir dies wesentlich besser. Ich fühlte mich auch gut und nicht mehr so schlapp wie in den Staaten.
Wir hatten vom Hafen aus einen großen Bogen geschlagen und wollten uns dem Ziel nur langsam nähern. Beide hofften wir, dass wir nicht auffielen. Die Gefahr
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