0812 - Blutzoll einer Druidin
akzeptieren, tut mir Leid.«
»Warum nicht?«
»Niemand stellte sich freiwillig als eine Hexe hin.«
Unter einer Laterne stoppte die Frau den Wagen. Der Motor verstummte. Es wurde sehr still. Kimberlys Atem war kaum zu hören.
Mit beiden Händen strich sie über ihr Gesicht, und Jane kriegte große Augen, als sie den Schimmer sah, der sich zwischen ihren Handflächen und der Gesichtshaut ausbreitete. Es war ein grünliches Leuchten, das zitternd die Umrisse des Kopfes nachzeichnete.
Als die Hände wieder das Lenkrad umspannten, war nichts mehr davon zu sehen. Jane verkniff sich eine diesbezügliche Frage, sie wollte nur wissen, ob sie hier am Ziel waren.
»Fast«, gab die Aibon-Amazone zu.
»Davon habe ich nichts.«
»Du solltest nicht so ungeduldig sein. Es wird schon alles ins rechte Lot gerückt werden, keine Sorge.« Die Hartdrehte sich um. Hinter ihnen lief die Fahrbahn auf den kleinen Rummelplatz zu. Die Lichter waren blasser geworden, die Geräusche weniger laut, niemand kümmerte sich um sie, und plötzlich öffnete Kimberly die Tür, wobei sie gleichzeitig den Gurt löste.
»Was soll das denn wieder?«
»Wir steigen aus.«
»Dann sind wir am Ziel?«
»Fast«, sagte Kimberly und schlug den Wagenschlag zu.
Jane Collins blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Sie ärgerte sich selbst darüber, dass sie das weiche Puddinggefühl in den Knien spürte, als sie die Füße auf das unegale Kopfsteinpflaster setzte. Sie stand jetzt im Freien und fing an zu frieren.
»Schließ die Tür, Jane. Aber leise, ich möchte nicht gern jemand aufwecken.«
»Verstehe.«
Kimberly war schon vorgegangen. Jane schaute auf ihren Rücken, der sich wie ein Schatten abmalte. Und dieser Schatten bewegte sich über den schmalen Gehsteig und vorbei an den alten Fassaden der niedrigen Häuser, die ziemlich schief aussahen, als hätte der Wind wütend an ihnen gezerrt.
Die meisten Fenster waren dunkel. Jane sah sie als matt glänzende und dunkle Vierecke. Hin und wieder gab eine Außenleuchte gelbes Licht ab. Sie hörten das Rauschen des Meeres, das seine Wellen in ständiger Gleichheit gegen den Strand schickte oder gegen die Kaimauer wuchtete, wo die Kraft gebrochen wurde.
Jane wusste nicht genau, was ihr bevorstand, doch sie war eine gute Beobachterin. Kimberly Hart bewegte sich längst nicht mehr so locker. Ihr Gang verriet eine gewisse Spannung. Sie blickte zudem nicht nur nach vorn, immer wieder nach rechts und links, als wären ihr die Häuser feindlich gesonnen.
Jane Collins kam zu dem Schluss, dass diese Farina Milton selbst einer Kimberly Hart Respekt einflößte. Sie konnte sich auch vorstellen, dass erst jetzt ihre große Aufgabe begann und alles andere nicht mehr als ein Vorspiel gewesen war.
Vor einer schmalen Einmündung, mehr eine Lücke zwischen den alten Häusern, blieb die Hart stehen. Sie winkte Jane heran und deutete nach vorn. Ein düsterer Schlund führte in ein Gebiet, das der Detektivin feindlich und unheimlich vorkam. Wahrscheinlich auch deshalb, weil kein Licht auf das Pflaster der Gasse fiel.
»Hier?« fragte sie.
»Genau hier.«
Jane holte durch die Nase Luft. »Du kennst dich wirklich aus, so dass wir uns nicht verlaufen.«
»Da brauchst du keine Sorge zu haben. Ich weiß, wo sie wohnt. Diese Gasse hier endet nicht im Nichts, auch wenn es den Anschein hat. An ihrem Ende wirst du das Haus der Farina Milton sehen.« Sie hob die Schultern und nickte zugleich. »Bringen wir es hinter uns.«
Die Gasse war nicht nur schmal, sie führte auch bergauf. Der Boden erinnerte sie an eine Holperstrecke für Testfahrten, und die Häuserzeilen rechts und links schienen zusammenzuwachsen, je weiter sie gingen.
Es kam ihnen niemand entgegen. Nicht mal eine Katze oder ein Hund.
Jane glaubte beinahe daran, dass diese Gasse von Lebewesen gemieden wurde.
Farina Miltons Haus sollte am Ende der Gasse liegen. Jane schaute dorthin, sah aber kein Licht, nur Schatten in der Dunkelheit. Manche groß, andere wieder flacher und kleiner, aber sie alle waren kompakt. »Es beginnt eine Treppe, Jane.«
Die Warnung war im rechten Augenblick gekommen, denn Jane hatte sie nicht gesehen und wäre beinahe über die erste Stufe gestolpert.
Jane ging vorsichtig weiter, Kimberly war immer einen Schritt vor ihr und deutete plötzlich nach links, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen. Dabei war es nur eine Bruchsteinmauer, die die Stufen der Treppe begleitete. Über die Mauer hinweg ragten Äste und Zweige, und
Weitere Kostenlose Bücher