0819 - Der Tod des Heiligen
für Esoteriker ein wichtiges Hilfsmittel, um mit anderen, oft heilenden Kräften in Verbindung zu treten. Auch wir hatten unsere Erfahrungen mit Pyramiden sammeln können. Ich dachte dabei an gewaltige Bauwerke, die ebenfalls aus Glas bestanden und mit einer mächtigen magischen Kraft gefüllt waren. Hier aber lief es anders.
Hier konzentrierte sich die innere Kraft allein auf eine Person, die angeblich tot war.
Hockte tatsächlich ein Toter oder ein Zombie in der Pyramide?
Selbst bei genauerem Hinsehen konnte ich keine Lösung bekommen. Ich mußte wirklich bis dicht an dieses gläserne Bauwerk heran und blieb dabei so nahe am Rand der Luke stehen, daß meine Fußspitzen mit ihm abschlossen.
Bill stand rechts von mir.
Beide schauten wir hinein.
Der Heilige hockte günstig. Wir konnten ihn frontal beobachten, aber es stand noch immer nicht fest, ob er lebte oder tot war. Er bewegte sich nicht. The Saint saß dort wie eine Figur. Den Körper sehr gerade durchgedrückt, den Kopf nicht aufgerichtet, er war gesenkt und sah so aus, als sollte das Kinn jeden Augenblick nach unten rutschen, um die Brust zu berühren.
Deshalb war es schwer, sein Gesicht in allen Einzelheiten zu sehen.
Wir mußten uns schon etwas bücken und den Kopf schief legen. Dafür sahen wir ein Gesicht, in dem die Haut sehr dünn und leicht dunkelgrün schimmernd über den Knochen lag. Das beschränkte sich nicht nur auf das Gesicht, sondern zog sich über den gesamten Körper, bis hin zu den Zehen, an denen die Haut eine dünne Schicht bildete.
Der Körper war schlank, vielleicht sogar durchtrainiert. Kein Gramm Fett bedeckte ihn. Von einem Skelett war er nicht einmal weit entfernt, und die Augen hielt der Heilige geschlossen.
»Der nimmt uns nicht einmal zur Kenntnis«, hauchte Bill.
»Meinst du?«
»Sonst hätte er sich doch bemerkbar gemacht.«
»Ich glaube schon, daß er weiß, was hier abläuft und wir nicht gerade seine Freunde sind.«
»Sollen wir ihn wecken? Ich kann ja mal klopfen.«
»Nein, laß es sein.«
Wir brauchten es auch nicht, denn The Saint bewies uns, daß sein Tod ein Bluff gewesen war. Plötzlich bewegte er seinen Körper. Es begann mit dem Kopf, den er nach hinten drückte, die Augen jedoch geschlossen hielt, dafür sein Kinn anhob und es uns vorstreckte. Erst jetzt fiel uns auf, wie schmal das Gesicht wirklich war. Es hätte auch zu einem Vogel gehören können oder zu einem Flugsaurier. Die Nase erinnerte an einen Schnabel, das Kinn an ein Maul, und als der Heilige die Augen öffnete, da sahen wir keine Pupillen, sondern nur weiße Flächen, die mich an blinde Spiegel erinnerten.
Sah er uns, oder fühlte er uns nur?
Noch immer stieg die Spannung in uns an, obwohl sich bei dem Heiligen nicht viel getan hatte. Er hockte nach wie vor auf dem Boden und streckte sich, ohne sich groß zu bewegen. Er drückte die Arme durch, die Haut bewegte sich dabei, aber es entstanden keine Muskelpakete an den Armen.
Der Heilige war erwacht!
Und er stand auf!
Es war kein Knacken seiner Gelenke zu hören, obwohl die Bewegungen sehr steif ausfielen. Zugleich aber wirkten sie geschmeidig.
Er kam uns vor wie jemand, der sich auf einen Karatekampf vorbereitete und seine Glieder geschmeidig machen wollte.
Die Pyramide war hoch genug, damit er sich normal hinstellen konnte. Sein Kopf drang zwar in die Spitze ein, er berührte sie aber nicht an den Seiten, zwischen ihnen und den Ohren war genug Platz vorhanden.
Die Arme hingen zu beiden Seiten seines Körpers herab, die Hände hatte er ausgestreckt. Auf mich wirkte er wie ein Soldat, der zum Appell erschienen war.
»Was will er, John?«
Das bewies er uns im nächsten Augenblick. Wir hörten ein leises Fauchen oder Rauschen, dann befand sich die Pyramide nicht an ihrem Platz. Der Heilige hatte es geschafft, sie als einen Flugapparat zu benutzen. Er huschte mit ihr zusammen von uns weg, und als wir uns umdrehten, hatte er dicht vor der Tür gestoppt.
Die Pyramide war über dem Boden zur Ruhe gekommen. Er konnte schräg auf uns herabschauen, und genau in diesem Moment riß die Wolkendecke wieder auf.
Licht flutete in das seltsame Grabmal.
Es umfing nicht nur uns, sondern auch den Heiligen, und es blendete ihn nicht einmal, denn er stand in der hellen Fülle und schien sie zu genießen.
Die Arme halb angehoben, als wollte er sein Volk segnen. Das Licht der Sonne tanzte um die Pyramide herum. Ich hatte mir die dunkle Brille aufgesetzt, um wenigstens etwas erkennen zu können,
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