0819 - Der Tod des Heiligen
glauben und entdeckten sehr schnell, daß wir uns nicht getäuscht hatten.
Vor uns bewegte sich tatsächlich der Boden. Er war an einer bestimmten Stelle bereits so weit auseinandergeklafft, daß wir das Viereck des Einstiegs sehen konnten.
Ein genau abgezirkeltes Loch tat sich auf, und wir waren überzeugt, daß aus der Tiefe des Hügels jemand an die Oberfläche in dieses Grab hochsteigen würde.
Wenn Spannung greifbar in der Luft liegen kann, so war das nun der Fall. Wir standen vor einer entscheidenden Wende, die uns Sieg oder Niederlage bringen konnte.
Ich rechnete mehr mit einem Unentschieden, aber noch hatte sich nichts getan. Zwar hatten sich die Platten zurückgeschoben, als hätten sie einen fremden Befehl erhalten, doch aus dem Loch kroch noch niemand hervor. Es blieb als eine viereckige Öffnung etwa drei Schrittlängen von uns entfernt.
Bill wollte hingehen. Ich hielt meinen Freund zurück. »Laß es lieber sein.«
»Warum, John? Einen Blick nur und…«
»Nein!«
Das Summen unterbrach unseren kleinen Streit. Es hörte sich an, als wäre ein Motor eingeschaltet worden, und Sekunden später schon sahen wir die Veränderung.
Da kam etwas hoch.
Aus der Tiefe drückte sich eine Nadel durch die Luke. Damit hatten wir nicht gerechnet, denn ein Toter oder ein Zombie sah so nicht aus. Es blieb nicht bei der Nadel. Sekunden danach mußten wir feststellen, daß es die schmale Spitze einer gläsernen Pyramide war. Sie schimmerte leicht grünlich an den Seiten, und mit jedem Zentimeter, den sie höher geschoben wurde, bekamen wir sie besser zu Gesicht.
Sie war nicht leer.
In ihr saß jemand.
Und sie stand auch nicht auf einem hydraulisch zu bewegenden Stab, sondern schwebte in der Luft, als wäre es eine der perfekten Illusionen des Magiers David Copperfield. Der aber war weit weg, und ich erlebte auch hier keine Illusion, sondern eine rätselhafte magische Kraft, gesteuert von einer Person, die sich selbst als Heiligen ansah und den Mittelpunkt der Pyramide bildete.
The Saint hockte auf dem Boden.
Er saß im Schneidersitz, und er war völlig nackt!
»Das also ist er«, stöhnte Bill. »Meine Güte, ist er tot oder lebt er? Sag was, verflucht!«
Ich konnte nichts sagen, denn ich wußte es selbst nicht. Die Gestalt hockte unbeweglich auf der Grundfläche der Pyramide, hielt die Arme leicht angewinkelt, so daß die Handflächen flach auf den Oberschenkeln lagen.
Die Pyramide hatte jetzt das Niveau der Grabgrundfläche erreicht.
Wir rechneten damit, daß sie zur Ruhe kommen würde, aber wir irrten uns, denn sie schwebte – ohne ein Geräusch abzugeben - noch weiter in die Höhe, als wollte der Heilige auf uns runterschauen und uns klarmachen, wie klein wir doch letztendlich waren.
»Wenn der durch die Decke schießt, werde ich noch verrückt«, flüsterte Bill.
»Keine Sorge, das hier ist sein Grab.«
Ich behielt recht. Etwa eine halbe Körperlänge über der Luke kam die Pyramide zur Ruhe. Sie schwebte, sie hing nirgendwo fest, sie stand einfach in der Luft und über einer düsteren Tiefe.
Wir waren beide von diesem Anblick fasziniert, und er wich auch nicht, je länger wir uns mit der Pyramide und dessen Inhalt beschäftigten, wobei sich wohl bei uns beiden die Frage aufdrängte, wer dieser Mensch oder diese Person nun wirklich war.
Lebte er, oder war er tot?
Wie ein Mensch sah er noch aus, auch wenn mir die Haut anders gefärbt vorkam. Das konnte durchaus an der Einfärbung des Glases liegen, denn dieser grüne Schimmer breitete sich wie ein seichtes Licht auf dem Körper aus. Es beeinträchtigte unsere Sicht, denn so gelang es uns nicht, die Einzelheiten zu erkennen, dazu mußten wir einfach näher an die Pyramide heran.
Bill Conolly beschäftigte sich ununterbrochen mit der Gestalt. Er wollte einfach eine Lösung haben und bezog auch mich mit ein.
»Verdammt, John, schau ihn dir an. Das ist kein Mensch mehr. Der… der sieht aus, als hätte er schon im Grab gelegen und wäre nach einer gewissen Zeit wieder daraus hervorgeklettert. Er hat sogar eine andere Haut bekommen. Daß sie so seltsam aussieht, kann nicht nur an dem grünen Glas der Pyramide liegen. Daran glaube ich einfach nicht.«
»Keine Sorge, wir werden ihn uns aus der Nähe anschauen.« Da sich bisher nichts mehr getan hatte, ging ich davon aus, daß die Pyramide nicht mehr steigen würde.
Ich riskierte es und bewegte mich auf diesen Gegenstand zu. Himmel, was hatte ich nicht alles über Pyramiden gelesen. Es war gerade
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