0820 - Horror-Baby
Wahrträume erlebt, aber der Gedanke an sie ließ sich nicht unterdrücken. Er beherrschte Sukos Unterbewusstsein.
Er sah aber auch ein, dass der Mensch das Schicksal nicht bestimmte. Es mischte selbst die Karten, und als Mensch konnte man nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Jeder hatte sein Schicksal, da war auch Shao keine Ausnahme. In der langen Ahnenkette war sie, die Chinesin, ausgerechnet die letzte Erbin der Sonnengöttin Amaterasu, und sie musste sich dieser Aufgabe stellen.
Suko hatte einen Job, der ihm oft keine Zeit ließ, über andere Probleme nachzudenken. So kamen ihm diese Autofahrten gerade recht. Da hatte er etwas Zeit.
Dann hörte er das Krachen.
Es war ein Geräusch, das ihn erschreckte. Er kannte es, hatte es schon öfter in irgendwelchen Filmen vernommen. Es entstand immer dann, wenn irgendetwas zusammendonnerte. Blech auf Blech oder Blech auf ein anderes Material.
Es blieb nicht beim Krachen.
Suko hatte eine Seitenscheibe nach unten fahren lassen, und so hörte er auch das Splittern und Kreischen, beinahe schon ein schreiendes Geräusch, dem die Stille folgte.
Nur der Wind brauste in den Wagen. Etwas Fremdes vernahm er nicht mehr, aber Suko spürte auf seinem Körper die zweite Haut. Er beschleunigte. Der BMW schoss auf eine Kurve zu, und Suko saugte das Bild ein, dass sich ihm bot.
In der Kurve wuchsen an beiden Seiten der Straße Laubbäume.
Und vor einem hing der Glatzkopf mit seinem zerschellten grünen Wagen. Totalschaden.
Suko ging vom Gas und bremste. An der rechten Seite war es passiert. Der glatzköpfige Fahrer musste die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren haben. Es war nicht einmal eine Bremsspur zu sehen. Er war quer über die Straße gefahren und frontal gegen den Baum geprallt.
Kein anderer Fahrer befand sich am Unfallort.
Suko stellte seinen Wagen an der Seite ab und hoffte, helfen zu können. Er lief zu dem Wrack. Benzin war nicht ausgeflossen, jedenfalls war nichts zu riechen. Die gesamte Kühlerschnauze war eingedrückt wie ein Karton. Es gab nichts mehr, was nicht verbogen gewesen wäre, und Splitter lagen verteilt im Gras und schimmerten wie künstlicher Schmuck.
Suko suchte nach dem Fahrer. Im Auto befand er sich nicht mehr, was den Inspektor wunderte, denn der Mann war angeschnallt gewesen. So leicht konnte er nicht nach draußen geschleudert worden sein, auch wenn die Fahrertür beim Aufprall aufgesprungen war.
Suko lief um das Fahrzeug herum und blieb stehen.
Der Fahrer lag vor seinen Füßen.
Die Wucht hatte ihn aus dem Wagen ins Freie geschleudert, wo er auf dem Rücken lag. Er bewegte sich nicht, er stöhnte nicht, und er sah einfachfurchtbar aus. Suko hatte das Gefühl, von einer Eisenkralle den Magen aufgewühlt zu bekommen. Er kannte sich mit Unfallopfern nicht aus, hatte nur Bilder darüber gesehen, aber dieser Mann hätte normalerweise nicht so aussehen können, wie es jedoch der Fall war.
Suko kniete sich neben ihn, um zu sehen, was mit ihm passiert war. Sein Gesicht und auch sein Hals sahen schlimm aus. Als hätte ihm jemand mit einer Gartenkralle die Haut aufgerissen, um die Kralle anschließend in seine Kehle zu stoßen.
Der Mann lebte nicht mehr.
Sukos Gesicht wurde hart. Das Gefühl, vor einem Rätsel zu stehen, steigerte sich, aber für jedes Rätsel gibt es eine Lösung. Suko war erfahren genug, um zu erkennen, dass der Unfall höchstwahrscheinlich nicht die Ursache des Todes gewesen war.
Was dann?
Suko erhob sich.
Das miese Gefühl wollte nicht weichen. Er kam sich plötzlich beobachtet und unter Kontrolle vor. Links von ihm lag die Straße, dort bewegte sich nichts, um diese Mittagszeit fuhr auch kein Wagen vorbei, jeder schien eine Pause eingelegt zu haben.
Wenn er nach rechts blickte und dabei über das Gestrüpp hinwegsah, breitete sich mit Gras bedecktes Brachland vor ihm aus, das genau dort seine Grenze fand, wo die rötlich schimmernden Klinkerhäuser einer Siedlung standen.
Die Fläche war menschenleer, und damit verdichtete sich das Rätsel. Wer hatte diesen Menschen so schrecklich zugerichtet?
Suko fand keine Lösung.
Er drehte sich wieder um. Von seinem Wagen aus wollte er die Kollegen alarmieren und auch den Leichenwagen, mit dem der Tote abtransportiert werden sollte.
Zwei Schritte war er gegangen, als er abrupt stehen blieb.
Am Rand der Straße stand der Kinderwagen!
***
Selbst Suko, der sich immer sehr beherrscht gab, konnte ein Zucken der Mundwinkel nicht vermeiden, und er dachte auch an seine erste
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