0822 - Flüstern, schreien, töten
machen wir? Eine Kleinigkeit essen?«
»Haben Sie denn Hunger?«
»Da richte ich mich ganz nach Ihnen.«
»Ich brauche noch nichts. Allerdings könnte ich einen Drink vertragen.«
»Das ist ein Wort.«
Wir steuerten die Bar an, aus der uns ebenfalls weiche Musik entgegenklang. Der Raum war leicht abgedunkelt, eher leer, und der Keeper war dabei, Orangen und Kiwis zu schneiden, die als Dekoration für Longdrinks benutzt wurden.
An der Bar nahmen wir Platz. »Die Karte brauche ich nicht«, sagte Kate, als ich sie ihr reichen wollte. »Ich habe Durst auf einen doppelten Wodka.«
Das hatte der dunkelhäutige Keeper gehört. Er fragte mich. »Und Sie, Sir?«
»Ich nehme einen doppelten Scotch.«
»Sehr wohl.«
Der Keeper stellte eine mit Gebäck gefüllte Knabberschale vor uns hin, dann besorgte er uns die Drinks, und ich wunderte mich über die Schweigsamkeit meiner Begleiterin. Etwas schien ihr nicht zu gefallen.
Nach dem ersten Schluck fragte ich sie direkt. »Kate, was ist mit Ihnen? Sie sind so schweigsam und scheinen Probleme zu haben.«
»Stimmt.«
Ich war etwas erstaunt über die schnelle und offene Antwort. »Wollen Sie darüber sprechen?«
Sie lehnte sich zurück und streckte die Arme mit den zusammengelegten Händen aus. »Ja, das würde ich gern. Ich habe, bevor ich herkam, etwas geschlafen, nur ist dieser Schlaf zu keiner Erholung geworden. Es war eher ein Horrortrip.«
»Wie das?«
»Ein Traum, John! Er war so verdammt plastisch und schlimm, und ich weiß jetzt, dass etwas Schreckliches auf mich zukommen wird. Und dass mir dieses Schreckliche noch in der folgenden Nacht begegnen kann.«
»Das Schreckliche«, wiederhole ich sinnierend. »Können Sie da nicht deutlicher werden?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich es nicht gesehen habe und es auch deshalb nicht erklären kann. Ich konnte es nur fühlen. Es war da, es stieg aus dem Dunkel hervor und beeinflusste meine Träume. Es war der Schatten der Bestie, die Ausdünstung des Killers, der unterwegs ist und in dessen Nähe sich bereits das Opfer befindet.«
»Eine Person, die umgebracht werden soll?«
»Ja.«
»Was haben Sie denn geträumt?«
»Ich sah das Gesicht der Frau, und ich sah auch ihre blonden Haare.« Kate starrte mich erschreckt an. Ihre Augen bewegten sich dabei nicht, sie blieben starr, doch in ihnen entdeckte ich die furchtbare Angst, die Kate Duvall umklammert hielt.
»Können Sie mir das vielleicht der Reihe nach erzählen?« erkundigte ich mich.
»Das kann ich. Träume sind wie Schäume. In diesem Fall aber ist es anders, dieser Traum steckt noch in mir, denn er war so verdammt plastisch. Ich habe nichts vergessen, denn er hat sich in meine Seele gebrannt.«
In den folgenden Minuten bekam ich zu hören, was Kate während des kurzen Schlafs widerfahren war. Dabei fing sie stark an zu schwitzen und regte sich auf. Und zum Schluss erzählte sie, dass sie einen derartigen Traum noch nie so intensiv erlebt hatte. »Wissen Sie, John, er ist näher gekommen, immer näher.« Sie schob ihre Finger über den Handlauf auf mich zu, aber sie berührte mich nicht. »Es war wie eine Vorwarnung dessen, was noch eintreten kann.«
Ich nickte und fragte nach. »Sie rechnen damit, dass es in der folgenden Nacht passieren wird.«
»Das denke ich.«
»Und weiter? Können sie etwas dagegen unternehmen? Was passiert denn, zum Teufel?«
»Teufel, sagen Sie?« Ich hörte ihr Lachen. »Teufel ist wohl gut, denke ich. Er lauert im Hintergrund, er ist doch derjenige, der das Böse steuert.« Sie lachte erneut freudlos auf. »Aber was erzähle ich Ihnen das alles? Sie wissen es sicherlich besser.«
»Manchmal weiß ich gar nichts. Erzählen Sie mir, was Sie von der Sache denken!«
»Ich kann nicht mehr denken. Später, als ich am Fenster stand, da überkam mich der Eindruck, dass all die Toten, die der Killer hinterlassen hat und deren Tod ich gespürt habe, nur einen Zweck haben.«
»Nämlich?«
»Mich!«
Ich räusperte mich, nahm einen Schluck Whisky und ließ ihn langsam durch die Kehle rinnen. »Ist das nur ein Gefühl, oder haben Sie dafür einen konkreten Beweis?«
»Habe ich nicht. Ich verlasse mich voll auf meine Gefühle oder meinem Instinkt.«
»Das kann oft sehr richtig sein.«
»Das sagen Sie, John. Aber wir sind Polizisten. Wir brauchen Beweise und keine Gefühle. Ich habe einmal versucht, mit meinem Vorgesetzten über die Dinge zu sprechen, doch er hat mich nur ausgelacht, den Kopf geschüttelt und gemeint, dass ich
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