0822 - Nomaden der Hölle
als Rückendeckung außerhalb der Stadtmauern.
»Es wird nicht leicht.« Laertes machte einen überaus konzentrierten Eindruck. »Armakath wehrt sich heftig gegen Wesen, die ihr nicht willkommen sind. Möglich, dass sie mich zurückwirft.«
»Ihr solltet weniger reden. Macht hin! Je eher wir hier verschwinden können, desto besser.« Nicole sah sich um.
Mirjad kam aus Tahums Richtung. Ihr Messer hatte sie geschlossen und am Gürtel befestigt. Nicole kam ein böser Verdacht. Sie ging der Korsin entgegen.
Mirjad stellte sich ihr in den Weg. »Um den Vampir musst du dich nicht mehr kümmern. Niemand muss sich mehr um ihn kümmern.« Ein kaltes Glitzern lag im Blick der Kindfrau.
Nicole atmete scharf ein. »Was bist du nur für ein Mensch, Mirjad? Kalt bis ans Herz? Ist da außer Hass noch etwas anderes in dir?«
»Ich habe ihm doch nur einen Gefallen getan.« Mirjads Stimme war ohne jede Emotion. »Man könnte sagen, ich habe ihn nur erlöst.« Dann drehte sie sich abrupt um. Die Skoloten wichen vor ihr zurück. Niemand hielt die Korsin auf, als sie sich von der Gruppe entfernte.
»Sie hat nur getan, was sie für richtig hielt.« Zamorra war verwundert, dass ausgerechnet Dalius Laertes die Kleine in Schutz nahm. Der Parapsychologe und Nicole wechselten einen viel sagenden Blick. Mirjad wurde zu einer Gefahr - für das Team, für sich selbst. Irgendetwas mussten sie tun, um das Kind auf eine andere Bahn zu lenken. Zamorra korrigierte sich in Gedanken. Mirjad war kein Kind mehr. Vielleicht hatte sie ja nie eines sein dürfen.
»Ich bin bereit.« Der Professor hielt Laertes beide Hände entgegen. Sobald der Körperkontakt geschlossen war, sprang der Vampir.
Nicole blieb mit den Skoloten alleine zurück.
Von Mirjad sah und hörte sie vorläufig nichts. Und das war ihr auch sehr recht.
***
Zamorra vollzog einen zeitlosen Ortswechsel mit Laertes nicht zum ersten Mal. So ein Huckepacktrip mit dem Hageren hatte äußerst unangenehme Begleitumstände, die der Professor bereits kannte. Das war auch nicht anders gewesen, als Laertes ihn und die anderen aus dem kollabierenden Refugium geholt hatte. Schmerzen, Übelkeit - darauf war er vorbereitet.
Nicht jedoch darauf, seinen Körper in Tausend brennende Einzelteile zerlegen zu lassen!
So fühlte er sich zumindest während des Transportes. Während… ein Während konnte es eigentlich dabei nicht geben, denn der Sprung war zeitlos. Dieser aber war es nicht. Zamorra fühlte deutlich, wie Laertes und er gehalten wurden; etwas versuchte den Vorgang zu unterbinden, ihn rückgängig zu machen. Das mochte nur Bruchteile eines Wimpernschlages dauern, doch für Zamorra schien es wie eine kleine Ewigkeit.
Die weiße Stadtmauer vom Armakath - sie rasten darauf zu, wurden geblockt, als sie kurz davor waren. Visuelle Eindrücke konnte es doch bei einem solchen magischen Transport nicht geben. Die Realität sah aber anders aus.
Zamorra konnte fühlen, wie Laertes seine Anstrengungen verstärkte. Es war ein Ringen - und der Vampir gewann es schließlich knapp.
Der Parapsychologe spürte den harten Straßenbelag unter sich. Mühsam rappelte er sich auf, blickte sich sichernd nach allen Seiten um. Merlins Stern summte wie ein Bienenstock. Das Amulett, dass in Sarkanas Refugium noch den magischen Restblockaden des Vampirdämons und denen der Dunklen Krone ausgesetzt gewesen war, ließ sich nun kaum noch bremsen. Die ganze Umgebung schien die Silberscheibe in höchsten Alarmzustand versetzt zu haben.
Doch ein Angriff, mit dem Zamorra gerechnet hatte, fand nicht statt. Zumindest vorläufig noch nicht. Es war beruhigend, das Merlins Stern geradezu hyperaktiv auf Hochtouren lief.
Laertes lag einige Meter von Zamorra entfernt am Boden. Der Vampir krümmte sich vor Schmerzen. Zamorra wusste, dass er ihm jetzt nicht helfen konnte. Die selbstheilenden Kräfte des Vampirs würden mit dieser Situation sicherlich fertig werden. Wichtiger war es, dass Zamorra ihm im Ernstfall den Rücken frei halten konnte, denn in dieser Verfassung war Laertes hilflos wie ein Baby.
Der Dämonenjäger sah sich um. Seine Augen hatten sich auf die Farbmonotonie der Umgebung eingestellt. Weiß auf Weiß - Konturen verschwammen, verloren an Bedeutung. Feinheiten zu sondieren war anstrengend, denn das menschliche Auge war farbliche Vielfalt gewöhnt. Das perspektivische Sehen wurde hier zur Qual, da alles ineinander zu verlaufen schien.
Wo in der Stadt sie schließlich gelandet waren, konnte Zamorra nur raten.
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