0822 - Nomaden der Hölle
überleben…
***
Der Mann schnarchte wie ein Grizzlybär.
Die Wände seiner Unterkunft waren absolut schallgedämpft. Gut so, denn wäre es anders gewesen, hätten seine Nachbarn in kaum einer Nacht auch nur ein Auge schließen können.
So wurden nur die Mikrophone von den Schnarchattacken in Mitleidenschaft gezogen. Jedes Apartment der Führungskräfte war verwanzt. Und keiner der Männer und Frauen hatte dagegen etwas einzuwenden gehabt. Es gehörte ganz einfach dazu.
Dem Mann wäre es auch gleichgültig gewesen, wenn jemand direkt vor seiner Tür ein Rockkonzert abziehen würde. Nichts und niemand konnte ihn wecken, wenn er erst einmal in seinen schon legendären Tiefschlaf gefallen war. Er hätte sich am folgenden Morgen allerhöchstens geärgert, die Band verpasst zu haben.
Es konnte also nur ein Traum sein, der ihn in dieser Nacht weckte.
»Nachtlicht!« Zwei gedämmte Leuchten wurden aktiv. Der Raum war in ein sanftes Licht getaucht. Er schüttelte den Kopf, als müsse er den Schlaf ruckartig los werden.
Was hatte ihn gestört? Es musste ein außergewöhnlicher Traum gewesen sein. Doch der war wohl auch jetzt noch nicht vorüber.
Wann kommst du zu mir?
»Taglicht!« Seine Bassstimme brachte mit dem Befehl alle versteckten Leuchtröhren auf Vollpower. Er blickte sich um. Niemand war in dem Raum -natürlich nicht. Er sah auf seinen Bauch, der sich unübersehbar unter dem Shirt wölbte.
»Halbes Schwein auf Toast… Nicht so gut vor dem Schlafen, alter Mann.« Er wollte sich erheben, denn nach wie vor konnte ein Alkaseltzer nach zu üppigem Essen wahre Wunder vollbringen. Sofern im Giftschrank seiner Behelfsküche so etwas überhaupt vorgesehen war.
Ich rufe nach dir. Ich vermisse dich, unsere Gespräche. Kommst du bald?
Mit einem Schwung war es aus dem Bett heraus. Diese Stimme - er kannte sie. Sie war ihm so vertraut. Und doch so weit weg von ihm. So weit, wie der Tod jemanden nur entführen konnte.
Viele Minuten stand er vor seinem Bett, wartete auf die Stimme.
Sie kam nicht mehr.
Zumindest nicht in dieser Nacht.
Irgendwann gab er es auf, legte sich wieder hin. Es dauerte lange, bis er wirklich noch einmal tief einschlafen konnte.
Am kommenden Morgen fühlte sich Doktor Artimus van Zant wie gerädert.
Wann kommst du zu mir?
Er ahnte, dass er diese Frage nicht zum letzten Mal gehört hatte…
***
Professor Zamorra legte am kommenden Tag eine neue Datei an. Name: Armakath, Stadt der rufenden Flammen.
Doch auch nach mehr als zwei Stunden hatte er darin nichts weiter als die verquere Architektur, das goldfarbene Umland und wenige unbedeutende Details beschrieben. Er kreiste immer um den Kern der Sache. Der war im Grunde genommen mit einem Satz zu beschreiben: Erbauer, Herkunft und Ziele von Armakath sind nicht bekannt.
Vielleicht hätte er einen weiteren Satz anhängen sollen. Informationen könnten eventuell bei Dalius Laertes vorhanden sein.
Laertes und Sabeth waren verschwunden geblieben. Zamorra hielt dem Vampir zugute, dass er sich um die vollkommen erschöpfte Sabeth kümmern musste. Dennoch bestand großer Redebedarf zwischen dem Hageren und dem Parapsychologen. Zumindest sah Zamorra das so.
Die Rückkehr von Nicole und Zamorra in ihre Welt war unproblematisch verlaufen - Routine eben. Genau die Routine, die zu Fehlern führen konnte. Das war einer der Lieblingssprüche von Nicole. Ganz sicher war etwas Wahres daran.
Armakath - Zamorra schloss die Datei mit dem Speicherbefehl. Er fuhr den Computer herunter, lehnte sich in den Sessel zurück.
Niemand schien je von dieser Stadt gehört zu haben. Niemand außer Dalius Laertes.
In keinem Buch war der Stadtname verzeichnet - keine Berichte, nicht einmal der Ansatz einer Legende.
Es steckte mehr hinter Armakath, als Zamorra es auch nur ahnte. Und ganz bestimmt würde es nicht sehr lange dauern, bis er erneut von der weißen Stadt hörte.
Ganz bestimmt würde es so kommen…
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 818 »Sarkanas Erbe«
[2] Siehe Professor Zamorra Nr. 821 »Grauen aus dem Meer«
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