0822 - Nomaden der Hölle
Zamorra glaubte. [1]
Und nun war Morano dorthin unterwegs.
Ein Blick in Nicoles Augen zeigte dem Parapsychologen deutlich, was sich in seiner Lebensgefährtin abspielte. Ihr Hass auf Morano war wieder frisch erwacht! Vielleicht fand sich ja nun die Möglichkeit, dem mit allen Wassern gewaschenen Burschen den einen oder anderen Zahn zu ziehen…
Der Meister des Übersinnlichen stellte fest, dass auch er bei diesem Gedanken ein feines Kribbeln spürte.
Warum eigentlich nicht?
***
Sie hatten wahrhaftig ein paar Wochen Ruhe gehabt!
Zeit, die Zamorra genutzt hatte, sich mit den neu entdeckten Fähigkeiten seines Amuletts etwas vertrauter zu machen. Viel war es immer noch nicht, was ihm durch das Öffnen der ersten fünf von dreizehn Siegeln eines geheimnisvollen Buches mit düsterem Inhalt offenbart worden war. Und er war sich auch nicht sicher, ob er im Ernstfall schnell genug auf diese kleinen Tricks würde zurückgreifen können. Zu neu und ungewohnt waren sie für ihn, nachdem er lange Zeit mit den »normalen« Möglichkeiten gearbeitet hatte.
Was er noch immer nicht herausfinden konnte, war, warum dieses Amulett schon wieder häufig den Dienst versagte. Es war blockiert worden, wenn sein dunkler Doppelgänger aus der Spiegelwelt auftauchte; die Kräfte beider Amulette hoben sich in dem Fall gegenseitig auf. Aber das konnte jetzt nicht mehr geschehen, denn der dunkle Zamorra war tot. Er würde nie wieder zu einer Bedrohung werden können, weder in dieser noch in der Spiegel weit. Und dass ein anderer dessen Amulett fand, war mehr als unwahrscheinlich.
So rätselte er weiter…
Nachdem sie aus Australien zurückgekommen waren, wo sie unter dämonischen Dingos aufgeräumt hatten und dann einen Dämon vernichteten, der die Traumzeit der Aborigines verändern wollte, hätte Zamorra am liebsten gleich das nächste Siegel des Buches geöffnet. Aber Nicole hatte ihn daran gehindert.
»Du bist ja regelrecht von diesen Siegeln besessen!«, warf sie ihm vor. »Kannst du eigentlich noch an etwas anderes denken?«
Er bewies ihr, dass er es konnte. Auch, wenn es ihm schwer fiel. Das Buch zog an ihm wie ein Magnet. Immer wieder überlegte er, ob er nicht doch…
Schon allein, um all diese Probleme und Gefahren, die hinter den Siegeln lauerten, hinter sich zu bringen, sie zu erledigen, abzuhaken. So zumindest versuchte er es zu rechtfertigen.
Aber sein Verstand sagte ihm, dass Nicole Recht hatte. Es war tatsächlich fast schon Besessenheit, die ihn immer wieder packen wollte. Und das Schlimmste daran war, dass jedes Siegel ihn mit seiner Aufgabe in absolute Todesgefahr brachte. So nahe wie in Australien war ihm der Sensenmann noch nie gekommen! [2]
Dabei gab es doch tausend Gründe, zu überleben. 999 davon hießen Nicole Duval und Liebe. Der tausendste war, dass es auch noch ein paar andere Dinge gab, die erledigt werden mussten.
Wie zum Beispiel jetzt Tan Morano.
Mirjad wollte ihn töten, und Nicole wollte ihn töten. Und Zamorra…?
Verdammt, Morano war ein Blutsauger. Natürlich musste er unschädlich gemacht werden, dieser langzahnige Dämon. Jetzt bot sich durch Mirjads Wissen die Chance, ihn zu stellen und zu erledigen.
Und einmal mehr stellte Zamorra sich die Frage: Warum eigentlich nicht?
***
Sabeth war geschwächt.
Ihr Körper verlangte nach der einzigen Nahrung, die sie zu sich nehmen konnte: Blut!
Die Königin ohne Volk nahm alle ihre geistigen Kraftreserven zusammen. Viel war es nicht, was sie tun konnte, doch immerhin dies. Mit ihren Händen formte die schöne Frau eine Kugel aus hauchfein gewobener Magie, in der sich blasse Nebelschwaden unruhig hin und her bewegten. Nur langsam klärte sich das Bild, zeigte schwach die Umrisse eines muskulösen Körpers.
Hellbraun leuchtete die Haut des Mannes, ihres Geliebten -Tahum! Seine Augen irrten unstet umher, als suchten sie einen ruhenden Punkt. Offensichtlich hatte er etwas entdeckt, fixierte es, wie Jäger es taten. Ja, er war auf der Jagd. Er jagte, wie er es in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder getan hatte.
Tahum jagte, um ihr Überleben zu ermöglichen; sein eigenes und das der Frau, die einem anderen gehörte. Seinem Herrn!
Im Inneren des Refugiums gab es nur die drei Asanbosam. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Weg nach draußen zu wagen, immer in der Furcht, dass Assunta ihn entdeckte. Der vom Wahnsinn der Dunkle Krone befallene König irrte durch die unendlichen Gänge und Hallen, rief nach seinem Volk, seinen
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