0829 - Die Hölle der Unsterblichen
sich wieder. Jetzt roch er auch den fauligen Blutgeruch, der die Kneipe durchdrang. Gasser würgte und presste sich die Hand vor den Mund.
»Lassen Sie den Mann los!«, hörte er die befehlende Stimme seines Assistenten Philippe, der offenbar über bessere Nerven verfügte als er selbst.
Die Frau wandte den Kopf, hielt ihr Opfer jedoch nach wie vor umklammert. Ihr Mund war rot vom Blut des Polizisten. Sie lachte, und lange Eckzähne wurden sichtbar. Blutverschmierte Eckzähne.
Philippe stöhnte dumpf und schoss.
Die Kugel schlug in das rechte Bein der Frau. Sie zuckte nicht einmal zusammen. Kein Blut drang aus der Wunde aus.
»Was wollt ihr?«, schrie die Vampirin.
»Lassen Sie den Mann los«, wiederholte Philippe. »Sofort!«
»Sonst?«, fragte die Frau, wandte wieder den Kopf und versenkte ihre Zähne erneut in den Hals ihres Opfers.
Gasser bemerkte, dass er seine Waffe in den Händen hielt. Er schoss und war erstaunt, dass er automatisch reagierte. Sein bewusstes Denken war ausgeschaltet; es war als beobachte er einen anderen dabei, wie er seinen eigenen Körper benutzte. Die Kugel schlug in den Bauchraum der Frau ein.
Wieder erfolgte keine Reaktion. Kein Schmerzenslaut.
Es ist Wirklichkeit, dröhnte es hinter Gassers Stirn. Das hier ist kein Film, die Morde sind keine Taten von Wahnsinnigen…
Philippe stürmte vor, packte die Bleiche und versuchte sie von ihrem Opfer wegzuzerren. Er stöhnte. Gasser sah, wie die Adern auf der Stirn seines Assistenten hervortraten.
Die Frau - die Vampirin!, schrie es in Gassers Verstand - schien über übermenschliche Kräfte zu verfügen. Ihre Hand zuckte zur Seite und umklammerte Philippes Arm. Er schrie auf, als sie beiläufig den Arm zur Seite bog.
Philippe folgte unwillkürlich dieser Bewegung. Doch er war nicht schnell genug.
Gasser hörte den Knochen seines Assistenten brechen. Das Knacken schien unendlich laut widerzuhallen.
In dieser Sekunde fiel die Lähmung endgültig von ihm ab. Und noch während sein analytischer Verstand die alles entscheidende Frage stellte - dies ist eine der angeblich Toten, aber wo sind die beiden anderen? - fiel hinter ihm die Tür ins Schloss.
Gasser wirbelte herum.
Er hatte seine beiden weiteren Feinde gefunden.
Sie waren ebenso totenbleich.
Philippe schrie vor Schmerz, und Gasser wurde unmissverständlich klar, dass sie in der Falle saßen. Mit schlurfenden Schritten kamen die beiden Unheimlichen näher und streckten ihm die Hände entgegen…
***
Das Kellergewölbe, das ehemals als Versammlungsort einer Sekte gedient hatte, hallte von Angéliques Wutgeschrei wider.
»Du hast dich meinem Befehl widersetzt!«, geiferte sie. Ihr Körper war wie fast immer immateriell. Ein Speicheltropfen löste sich von ihren Vampirzähnen und tropfte ungehindert auf den Boden.
»Aber Herrin«, versuchte sich die Kreatur, die erst vor kurzem von ihr zum Vampir gemacht worden war, zu rechtfertigen. Es handelte sich um einen Mann, der als Mensch vierundvierzig Jahre alt gewesen war. Jetzt war er zeitlos geworden… er hätte als Geschöpf der Finsternis ewig leben können, wenn er keinen Fehler begangen hätte.
Angélique bebte vor Zorn. »Schweig!«
Sie konzentrierte sich. Wieder waberte die Luft unterhalb ihres Kopfes, und ihr Körper manifestierte sich. Sie richtete den Blick ihrer toten Augen nach unten, betrachtete ihre Hände. Sie streckte die Finger, zog sie wieder an. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
»Als Strafe für deinen Ungehorsam kommt nur eine Möglichkeit in Frage«, sagte sie leise. »Die anderen sollen wissen, was ihnen bevorsteht, wenn sie jemals denselben Fehler begehen werden.«
Sie sandte einen telepathischen Ruf aus. Alle ihre Vampirgeschöpfe hielten sich in dem Gewölbe auf, ebenso die Besessenen; alle standen unter ihrem Befehl. Augenblicklich kamen sie aus den Ecken und Winkeln hervor, in die sie sich zurückgezogen hatten, und versammelten sich um ihre Meisterin.
»Wie lautete euer Befehl?«, fragte Angélique.
Einer der Besessenen ergriff ohne zu zögern das Wort. »Ein Opfer zu finden und es zu töten.« Die Stimme klang rau, als dringe sie nur widerwillig durch die Kehle des Mannes, der ein finsteres Wesen in sich trug. Es war der Dämonengeist, der sprach; das menschliche Bewusstsein seines Trägerkörpers war längst erloschen. »Dazu schicken wir einen Teil unserer Selbst in den Körper des Opfers und wüten in ihm, ohne äußere Spuren zu hinterlassen.«
Eine Frau, über deren
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