0829 - Die Hölle der Unsterblichen
oder zwanzig Jahre?, dachte Zamorra. Ein kühner Wunsch für einen Hundertjährigen… Lamy schien ausgesprochen zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Oder zumindest hatte er das bis vor wenigen Minuten getan.
»Was meinen Sie damit, es bedeute nichts Gutes?«, fragte der Parapsychologe.
»Es muss einen Grund dafür geben, dass sich gerade jetzt jemand für die alte Geheimlehre interessiert - noch dazu eine so überaus charmante Demoiselle!« Er lächelte, was bedeutete, dass sich die Falten in seinen Wangen vervielfältigten und seine dritten Zähne blitzten. »Und meine Erfahrung lehrt mich, dass dieser Grund nicht positiv sein kann. Und dass… hm… dass dadurch die Hölle auf den Plan gerufen wird.« Sein Blick bohrte sich mit erstaunlicher Klarheit in den Zamorras.
Er testet mich und will wissen, wie ich auf die unverblümte Erwähnung der Höllischen reagiere. Zamorra hielt diesem Test mühelos stand. »Wir befürchten ebenso wie Sie, dass die Dämonen Gegenmaßnahmen ergreifen.«
Lamy nickte. »Sie sind ein kluger Mann, Monsieur Zamorra, und darüber hinaus mit einer hübschen Gefährtin gesegnet.« Er wandte sich Andrew zu. »Bleiben Sie, junger Freund. Sind Sie ebenfalls würdig, von mir die Dinge zu erfahren, die Sie interessieren?«
Andrew atmete tief durch, sah dann Nicole an. »Hast du ihm genau gesagt, weswegen wir hier sind?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wir sind auf ein Symbol gestoßen«, fuhr Andrew fort, »und uns wurde gesagt, dass Sie mehr darüber wissen. Oder zumindest, dass sie uns weiterhelfen können.«
»Von diesem Sid Amos, den Nicole erwähnte und der so plötzlich verschwunden ist«, vermutete der Alte.
Andrew nickte. »Außerdem brennt uns die Zeit unter den Nägeln, denn was wir Vorhaben, wird Lucifuge Rofocale auf den Plan rufen.«
Jean-Marie Lamy zuckte zusammen. »Schweigen Sie!«, rief er entsetzt. »Nennen Sie nicht den Namen des Ministerpräsidenten des Bösen!«
»Wieso nicht?«, sagte Andrew kalt. »Bringt es Unglück? Ich bin nicht abergläubisch, Monsieur, und ich habe keine Angst! Ich bekämpfte Lucifuge Rofocale und seine höllischen Heere schon lange, bevor Sie das Licht der Welt erblickten! Also nennen Sie mich nie wieder ihren jungen Freund!«
Einen bangen Augenblick lang fragte sich Zamorra, ob Andrews Vorgehen das richtige war, um Lamy für sich zu gewinnen.
Doch der Greis nickte. »Ihre Worte sind so unverschämt und so unglaublich, dass ich sie akzeptiere. Ich zweifele nicht an dem, was Sie sagen.«
»Also…«
»Also solltet ihr endlich damit rausrücken, was ihr vorhabt, meine drei neuen Freunde!« Der Alte hustete asthmatisch. Offenbar hatten ihn die letzten Minuten sehr erregt.
»Wir benötigen Zugang zu den alten Manuskripten der Geheimlehre!«, offenbarte Nicole.
»Das habe ich mir bereits gedacht… nur gibt es ein Problem. Dorthin, wo die Manuskripte aufbewahrt werden, geht man nicht einfach! Man macht keinen Nachmittagsspaziergang an diesen Ort! Ehe wir den Orden auflösten, damals, haben wir vorgesorgt! Da, wo sich die Manuskripte befinden, ist alles anders. Die Alten sind jung, und die Jungen alt. Die Lebenden sind tot, und die Toten leben.«
Zamorra durchzuckte die Erinnerung an Andrews Bericht von seiner Vision. Der tote Jüngling, der Andrew das Papier überreichte… Ihm kam ein ungeheuerlicher Verdacht.
Andrews Gedanken gingen offenbar in dieselbe Richtung. »Ich sah einen toten jungen Mann. Er war bleich, und in seinen Haaren wimmelten die Würmer, als sei er frisch aus seinem Grab gekrochen… doch er lebte.«
»Du sahst?«, fragte Lamy erschrocken.
»Du bist nicht der Einzige, dessen Leben Geheimnisse beinhaltet«, antwortete Andrew süffisant.
Aus einem Impuls heraus rief Zamorra Merlins Stern zu sich. Die Silberscheibe, die sich vor einem Augenblick noch an einer Kette um seinen Hals befunden hatte, materialisierte in seiner Hand. Er präsentierte sie dem Alten. »Ich will dir einen letzten Beweis geben, dass wir keine arglosen Narren sind. Hast du je von diesem Amulett gehört?«
Die Augen Lamys weiteten sich. »Das Siebengestirn«, flüsterte er ergriffen. »Welches der Amulette ist es?«
Zamorra pfiff leise durch die Zähne. »Du zeigst dich gut informiert, Jean-Marie. Du weißt, wer sie erschaffen hat?«
»Merlin«, antwortete der Greis. »So behauptet es die Sage. Er schuf sieben von ihnen, und um das Letzte, das Perfekte zu kreieren, holte er einen Stern vom Himmel.«
»Dies ist das Haupt der Sieben.« Zamorra
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