0829 - Die Hölle der Unsterblichen
waren, auf ein apathisch im Raum stehendes Sektenmitglied zuging. Das Opfer hielt die Augen geschlossen.
Plötzlich wandte sich der Vampir ab und wankte auf eine in die Ecke gedrängte Frau zu, deren Kapuze verrutscht war. Baudelaire erkannte die Blonde, doch ihr Name fiel ihm nicht ein.
Jetzt öffnete das verschmähte Opfer die Augen. Sie leuchteten für einen Augenblick in intensivem Rot, ehe sie ihre natürliche Braunfärbung wieder annahmen.
Instinktiv erkannte der Sektenführer, was vorgefallen war. Die Irrwische und niederen Geister… sie fuhren in die Menschen und machten sie zu Besessenen!
Einige Minuten später war es vorbei. Buchstäblich jeder der Menschen in diesem Raum war zu einem Opfer der Dämonen geworden. Entweder ragten Vampirzähne über die Unterlippen, oder sie trugen einen höllischen Dämonengeist in sich.
Nur Henri Baudelaire war Mensch geblieben.
Ein Mensch, der innerlich vor Grauen und Entsetzen gestorben war. Ein Grauen, das letzten Endes er selbst zu verantworten hatte, denn er hatte die höllischen Mächte angerufen.
Er trug die genauen Anweisungen Lucifuge Rofocales in sich, und er würde sie mit Hilfe der Höllensklaven, die ihm nun zur Verfügung standen, in die Tat umsetzen…
***
»Zum Teufel« war die beste, weil einzige Gaststätte im Dorf unterhalb Château Montagnes, wurde von ihrem Namensgeber besucht.
Sid Amos, der als Höllenfürst Asmodis in die Überlieferungen der Menschheit eingegangen war, hatte inzwischen schon etliche Jahre der Hölle den Rücken zugekehrt. Nach seiner eigenen Aussage ging er jetzt seinen eigenen Weg, fühlte sich seinem ehemaligen Herrschaftsbereich nicht mehr zugehörig.
Er betrat die Kneipe auf gesittete Weise durch die Tür, obwohl ihm ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Er hinterließ bei jedem Schritt eine kleine Pfütze.
»Da draußen ist es nass, verdammt noch mal!«, rief er. »Mostache, hast du das noch nie bemerkt? Sperr deine Augen auf!«
Mostache, der Besitzer der Kneipe, verdrehte die Augen. Selbstverständlich wusste er um die ewigen Pfützen auf dem Parkplatz seines Etablissements und er sah nicht ein, sie zu beseitigen. Sie waren als Mostachesche Seenplatte längst legendär geworden.
Amos’ Auftreten ließ auch alle anderen Gäste aufhorchen. Dabei handelte es sich genau gesagt nur um drei: Zamorra, Nicole und Andrew, die bei einem Gläschen Wein weitere Details besprechen wollten.
»Sid!«, rief Zamorra, halb erstaunt, halb erfreut.
»Dass der Ex-Teufel gerade jetzt auftaucht, wird kaum ein Zufall sein«, fügte Nicole hinzu. Ihr Verhältnis zu Amos war gespannt, und sie misstraute ihm nach wie vor. »Nicht wahr, Assi?« Sie nannte ihn stets bei der Verballhornung seines alten Namens Asmodis, den er längst, zusammen mit seinem Amt als Höllenherrscher, abgelegt hatte.
Sid Amos beachtete die Spitze nicht. Er trat an den Tisch heran. »Natürlich ist es kein Zufall! Andrews Bemühungen, das Symbol zu entschlüsseln, haben Spuren hinterlassen. Ich dachte mir, ich schließe mich euch an.« Er räusperte sich und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Nur sagt mir eins, liebe Freunde - warum in aller Welt habt ihr mich nicht um Rat gefragt?«
»Spar dir das heuchlerische Getue!«, giftete Nicole.
Zamorra hingegen verspürte einen schmerzhaften Stich. Amos hatte Recht. Warum hatten sie sich nicht an ihn gewandt? Es wäre ihnen schon irgendwie gelungen, Kontakt aufzunehmen, und Amos verfügte über gelinde gesagt ziemlich großes Wissen. Zamorra konnte dem ehemaligen Höllenfürst keine Antwort geben.
»Ihr wisst doch«, fuhr Sid Amos fort, »dass ich über gelinde gesagt ziemlich großes Wissen verfüge!«
Zamorra zuckte zusammen. Genau das hatte er eben gedacht…
Andrew begrüßte den Neuankömmling. »Wir waren dumm, Sid«, gestand er.
Amos lachte. »Eine herzerfrischende Äußerung! Wenn doch nur alle Menschen so ehrlich wären wir du. Ohnehin verfügst du über erstaunliche Eigenschaften, von denen andere sich eine Scheibe abschneiden könnten.«
Nicole wusste, dass dies die Retourkutsche für ihre übliche Stichelei darstellte. Amos hatte vor Jahrhunderten Andrew übel mitgespielt - sehr übel. [5] Doch als Andrew und er sich vor einigen Monaten wieder begegneten, hatte Millings das anfängliche Misstrauen rasch abgelegt; ganz im Gegenteil zu ihr.
»Ich hörte vom Tod Dianas«, ergänzte Sid Amos an Andrew gewandt. »Und ich kenne auch die Umstände. Deine Vision war schicksalhaft,
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