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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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erwiderte Oaks überheblich. »Mein Gehirn arbeitet sogar im Schlaf besser als deins, wenn du wach bist. Voraussicht - das ist meine Devise.«
    Er wartete darauf, daß Aikness etwas sagte, doch der ging auf die letzte Bemerkung nicht ein.
    »Also, wie soll's weitergehen?« fragte er statt dessen. »Wir können nicht hier herumhängen, bis die Polizei uns aufspürt. Könnte ich nicht nach Genua fahren ...« »Dein größter Fehler ist dein Wandertrieb«, sagte Oaks freundlich, aber mit einer Freundlichkeit, die tödlich klang, und Aikness schauderte.
    »Du bleibst schön hier, mein lieber Captain. Ich habe den größten Plan, den seit Napoleon ein menschliches Gehirn ersann.« Er tippte sich an die Stirn. »Stell dir mal vor, du hast ein Schiff. Wie groß sind deine Chancen, einem Zerstörer zu entkommen, der fünfunddreißig Knoten macht? Er könnte dir eine Woche Vorsprung geben und holt dich noch ein. Aber ich habe vor, mit dem größten Fang zu entkommen, der je gemacht wurde.« Er war erregt, ging im Zimmer auf und ab, gestikulierte beim Sprechen, und die Blässe seines Gesichts verriet, wie leidenschaftlich sein neuestes Vorhaben ihn beschäftigte. »Angenommen, wir werden gefaßt«, fuhr er fort. »Wir alle. Was passiert dann?« Er legte sich einen unsichtbaren Strick um den Hals und zog ihn mit einem suggestiven »Klick« zu. »Das passiert. Können wir uns freikaufen? Nein. Haben wir eine Chance, begnadigt zu werden? Ja. Indem wir sie erpressen.«
    »Erpressen?« wiederholte Aikness. »Wen willst du erpressen?« »Die Regierung.« Oaks schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, um seinen Worten größeren Nachdruck zu verleihen. »Wir geben ihr für einen bestimmten Preis etwas, und bevor wir zum letzten, entscheidenden Schlag ausholen, zeigen wir ihnen, wozu wir fähig sind. In der Bond Street gibt es zwei große Juweliere, bei denen mindestens hundertfünfzigtausend zu holen sind. Mit ihnen fangen wir an. Sie schulden uns etwas für das Zeug, das sie auf der ›Seal of Troy‹ beschlagnahmt haben. Dann versetzen wir ihnen den zweiten Schlag und einen dritten, der sie fertigmacht. Sie werden es nicht wagen, einen von meinen Leuten auch nur anzufassen, und sie werden uns ein Ehrengeleit nach Brasilien oder Argentinien geben und uns dort alle Wege ebnen.«
    Aikness glaubte, Oaks sei übergeschnappt, und der kleine Mann mußte seine Gedanken gelesen haben, denn plötzlich versetzte er ihm einen herzhaften Schlag auf den Rücken und brach in Gelächter aus. »Du denkst, ich hab sie nicht mehr alle, wie? Aber du kennst mich nicht, Aikness. Du hast mich auch für verrückt gehalten, als ich sagte, der Direktor der ›Medway Bank‹ in Lothbury würde uns selbst seine Stahlkammer öffnen.« Auf einmal verließ ihn seine Überschwenglichkeit und er sah Aikness verdrießlich an. »Inspektor Wade aber möchte ich mir höchstpersönlich vornehmen — richtig und gründlich vornehmen. In einem Zimmer wie diesem. Auf dem Boden soll er vor mir liegen, und Hunderte und Aberhunderte Löschblätter sollen das Blut nicht aufsaugen können, das fließt. ..« Er lachte schrill, und starr vor Entsetzen begriff Aikness zum ersten Mal, wie es um den sonderbaren kleinen Mann stand, der Griechisch und Lateinisch und sogar ein bißchen Arabisch sprach.
    »Und wie willst du die Regierung erpressen?« fragte er, um das Gespräch in weniger beängstigende Bahnen zu lenken. Wußte er doch ganz genau, daß auch er das John Wade bestimmte Schicksal erleiden würde, wenn Oaks nur ahnte, was für ein Plan inzwischen so halb und halb in seinem Kopf gereift war. Eigentlich mehr als nur halb gereift, er war fertig, bis auf eine wichtige Einzelheit — er mußte nur noch den richtigen Augenblick abwarten, in dem er Oaks der Polizei in die Hände spielte. Aikness selbst hatte, wie er meinte, eine verhältnismäßig saubere Weste, denn er hatte nie gemordet. Freilich war er Mitwisser der schlimmsten Exzesse seines Herrn und Meisters, wodurch die Chance stieg, als Kronzeuge erhebliche Vergünstigungen für sich herauszuholen. War jetzt der richtige Moment, um zuzuschlagen? »Das ist ein absolut perfektes Timing, nicht wahr?« sagte Oaks, leise in sich hineinlachend, und Aikness sprang beinahe wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe, weil er glaubte, der andere könne wie durch ein Wunder tatsächlich Gedanken lesen. »Das Timing — die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts — ist das ganze Geheimnis unseres Erfolgs. Behalte mich im Auge, dann

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