083 - Der Moloch
beruhigen mußte. Hoffentlich war der Film etwas geworden. Er hatte noch nicht einmal einen Blick darauf geworfen. Aber es war unsinnig, zu befürchten, daß er ausgerechnet bei diesen Aufnahmen Mist gebaut haben sollte. Das war ihm in seiner langjährigen Praxis noch nie passiert. Er war schließlich kein Sonntagsknipser, sondern Profi.
Er hängte den Film mit einer Klammer an die Wäscheleine und befestigte am unteren Ende ein Gewicht, damit sich der Film nicht einrollen konnte. Danach ertappte er sich schon wieder beim Rauchen. Dennoch hielt er sich so im Zaum, daß er das Negativ nicht im Licht der Dunkelkammerlampe betrachtete. Zweifellos hätte er auch schon aus dem Negativ erfahren, was er wissen wollte, aber er wollte das Ergebnis schwarz auf weiß und in Großformat vor sich sehen. Er wollte die Wahrheit erst durch die Vergrößerung enthüllt bekommen. Das heißt, wünschte er sich tatsächlich eine Enthüllung? Nein, zumindest nicht im negativen Sinne.
Er fragte sich erneut, wer von den anderen Passagieren das Ungeheuer sein konnte. Er selbst und Dorian Hunter kamen nicht in Frage. Ebensowenig Cliff, der von dem Moloch beinahe aufgefressen worden wäre. Armer Cliff! Und die anderen? Parker, Clerici, Geronimo und auch die Mädchen hatten sich gleich viel oder wenig verdächtig gemacht, einschließlich Valiora, Hunters Begleiterin.
Nun, wer auch immer der Doppelgänger war, das Ungeheuer – die Fotos würden es enthüllen. Am Beispiel der Mannschaft hatte sich gezeigt, daß der Moloch nicht auf den Film zu bannen war. Und so würde es auch mit dem Doppelgänger sein. Auf dem Foto, das er von ihm gemacht hatte, würde nichts zu sehen sein.
West legte das Negativ in den Vergrößerungsapparat ein, klemmte das Fotopapier unter den Abdeckrahmen und nahm die Scharfeinstellung vor. Jeder Handgriff war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, war reine Routine, dennoch zitterten Adrians Hände.
Er schaltete die Lampe des Vergrößerungsapparates ein, ohne auf das Fotopapier zu blicken. Er wollte die Negativprojektion nicht sehen, war nur an dem Positiv interessiert.
Als die Belichtungsuhr ablief, holte er das Fotopapier aus der Halterung und legte es ins Säurebad. Er starrte wie gebannt auf das Papier, auf dem sich langsam Konturen abzuzeichnen begannen.
Das erste Foto hatte er von Valiora gemacht. Adrian hielt den Atem an. Die Konturen eines Gesichtes wurden sichtbar. Er atmete erst wieder aus, als er Valioras Foto vor sich sah. Es war ein Seufzer der Erleichterung.
Valiora war somit außer Verdacht. Das freute ihn für Hunter.
Als nächsten hatte Adrian Domenico fotografiert. Was für ein Waschlappen! Aber seine Angst konnte genauso gut auch gespielt gewesen sein. Adrian konnte es kaum erwarten. Er legte das Fotopapier ins Säurebad und beobachtete das Werden des Bildes.
Wieder konnte er aufatmen. Das Foto zeigte Domenicos von Angst gezeichnetes Gesicht.
Wer war der nächste? Lisbeth. Sie war eines der fotogensten Mädchen, das Adrian kannte. Aber dieses Bild, das sich vor seinen Augen im Säurebad herauskristallisierte, zeigte sie nicht von ihrer besten Seite. Doch egal, auch Lisbeth war in Ordnung.
Rosi – Gloria – Adrian fiel ein Stein vom Herzen – und Parker kamen als nächstes an die Reihe. Sie alle waren makellos auf den Film gebannt. Adrian fand sogar, daß es die besten Fotos waren, die er je gemacht hatte. Wenn das alles vorüber war, würde er sie mit einem Bericht an seine Agentur schicken und viel Geld scheffeln.
Das nächste Foto hatte Adrian von Geronimo gemacht. Nicht minder gebannt wie bei den vorangegangenen Malen, starrte er in die Entwicklungsschale, wo sich auf einem harmlos anzusehenden Stück Papier ein schreckliches Geheimnis zu enthüllen begann.
Adrian hatte sofort geahnt, daß mit Geronimos Bild etwas nicht stimmte, doch er wollte es bis zuletzt nicht wahrhaben – bis sich auf dem Bild statt des Halbindianers ein Ungeheuer zeigte.
Er starrte ungläubig darauf. Das verstand er nicht. Bisher war es nicht möglich gewesen, eines dieser Ungeheuer auf den Film zu bannen. Wieso gerade diesmal? Diese Frage war aber unwichtig, angesichts der Erkenntnis, daß Geronimo das Ungeheuer war – der stille, stets zurückhaltende Geronimo.
Während Adrian noch in das Säurebad starrte, bewegte sich das Ungeheuer auf dem Bild plötzlich. Ein Tentakel zuckte daraus hervor, traf Adrians Gesicht und hüllte es rasend schnell ein.
Sein Entsetzensschrei wurde bald
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