083 - Der Tod trägt eine Maske
den Gezeichneten aus dem Saal zerrten, folgte ich ihnen.
Sie durften den Palast nicht verlassen, jedenfalls nicht mit Yerdyn. Ich hetzte hinter ihnen her, um ihnen den Jungen wieder abzujagen.
Mit langen Sätzen rannte ich durch den Saal. Mehrmals versuchte man mich aufzuhalten, in einen Kampf zu verwickeln, doch ich ließ mich auf nichts ein.
Ich wich den Feinden aus, ließ sie ins Leere laufen, eilte weiter, erreichte die offene Tür und gelangte in einen langen, düsteren Säulengang.
Die Markiasen und Yerdyn waren verschwunden. Sie schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Ich wußte nicht, welche Richtung ich einschlagen sollte, mußte mich für eine von zwei möglichen entscheiden und hoffen, daß sie die richtige war.
Ich sprang über einen toten Wächter und lief an den Säulen vorbei. Hinter einer davon lauerte ein Feind. Ich merkte es zu spät. Er ließ mich vorbei, sprang dann hinter mich, und als ich herumfuhr, traf mich die Breitseite seines Schwerts.
Ich hatte das Gefühl, in ein tiefes, dunkles Loch zu stürzen.
***
Als ich zu mir kam, war der Kampf vorbei. Überrascht stellte ich fest, daß sich Cassemock um mich kümmerte. Ich lag nicht im Säulengang, sondern auf daunenweichen Kissen in einem großzügigen Raum. Ein Mädchen stand neben Cassemock. Es war nicht Ragu.
»Gib ihm zu trinken«, verlangte der Markiase, und das Mädchen setzte mir einen glatten grünen Becher an die Lippen, in dem sich eine grüne Flüssigkeit befand, die entfernt nach Schokolade schmeckte.
Der Trank rann wie Öl und seidenweich durch meine Kehle. Er tat mir gut.
»Du hattest großes Glück, Tony Ballard«, sagte Cassemock. »Ich habe gesehen, wie der Mann dich niederschlug. Mit dem nächsten Schwerthieb wollte er dich töten, aber ich konnte ihn in die Flucht jagen.«
Er? Ausgerechnet er? Sollte ich ihm das glauben? Er hatte sich mit Ramba in Sicherheit gebracht und sich am Kampf nicht beteiligt, und nun wollte er mir weismachen, er hätte sich für mich stark gemacht.
Noch dazu für einen Mann, gegen den er ganz offensichtlich etwas hatte. Wie hätte ich ihm das abkaufen. sollen? Warum belog er mich? Um mich zu beeindrucken? Sollte ich mich ihm gegenüber zu Dank verpflichtet fühlen? Oder ging es ihm lediglich darum, herauszustreichen, daß er auch gekämpft hatte?
»Ich danke dir, Cassemock«, sagte ich. Damit vergab ich mir nichts. Ich setzte mich auf und betastete meine Schläfe, die eine beachtliche Beule zierte. Dennoch hatte ich keinen Grund, mich zu beklagen, denn es hätte schlimmer kommen können: Wenn mich das Schwert nicht mit der Breitseite getroffen hätte!
Ragus Berater entließ das einäugige Mädchen. Wir waren allein, und ich packte die Gelegenheit beim Schopf, um das Gespräch unter vier Augen mit Cassemock zu führen.
»Darf ich offen sein, Cassemock?« fragte ich.
»Natürlich.« Er nickte.
»Meine Freunde und ich sind allen willkommen, nur dir nicht. Jedenfalls habe ich diesen Eindruck. Ich glaube nicht, daß ich mich irre. Was hast du gegen uns?«
Cassemock schüttelte den Kopf.
»Nichts.«
»Du magst keine Menschen, wie?« sagte ich.
»Das ist nicht richtig«, widersprach er mir. »ich akzeptiere und respektiere euch…«
»Aber?«
»Ihr habt eure Welt, wir unsere. Ihr habt eure Probleme, wir unsere. Ich finde, wir müßten versuchen; mit diesen Problemen selbst fertig zu werden. Habt ihr uns schon mal um Hilfe gebeten?«
»Ich glaube nicht, aber ich würde nicht zögern, es zu tun, wenn es nötig wäre. Warum dürfen sich Freunde nicht helfen? Bist du zu stolz, um Hilfe anzunehmen? Wozu hat man Freunde?«
»Wer sich immer nur helfen läßt, wird schnell unselbständig«, behauptete Cassemock. »Und abhängig. Es ist nicht gut, abhängig zu sein. Man gibt sich damit in die Hände anderer.«
»Die das ausnützen könnten. Ist es das, was du befürchtest? Da kann ich dich beruhigen, Cassemock. Meine Freunde und ich werden das nie tun. Das werden dir Ragu und Ugar bestätigen.«
Der Markiase nickte. Ob er mir glaubte, wußte ich nicht.
»Wie stehst du zu Ragu und Ugar?« wollte ich wissen.
»Ich bin ihnen sehr zugetan. Und ich liebe Ragu. Ich bin der Prinzessin dankbar, daß sie mich zu ihrem Berater ernannt hat. Das war eine weise Entscheidung. Ich weiß als Markiase über Markia-Fragen besser Bescheid als sie.«
Ich stand auf. Cassemock hinderte mich nicht daran. Ich wollte wissen, welches Ende der Überfall genommen hatte. Cassemock wußte nur, daß es die »Bande
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