0830 - Das Vampirloch
der sich um sein rechtes Handgelenk spannte wie ein Schmuck aus Eisen.
Das andere Ende der Kette war an diesem schweren Gegenstand befestigt worden, von dem er auch nicht loskam. Was sich ansonsten noch in seiner Umgebung befand, konnte er nicht erkennen, dafür war es einfach zu dunkel. Quade sah nur den rechteckigen Ausschnitt eines kleinen Fensters in der Mauer, aber auch dieses Quadrat war zu weit entfernt, um es erreichen zu können.
Was blieb?
Abwarten, darauf hoffen, daß jemand kam, der ihn befreite. Diese Hoffnung allerdings war sehr trügerisch, eher würde die Person bei ihm erscheinen, die ihn niedergeschlagen hatte.
Mehr als zwei Stunden war er bereits gefangen, und er fragte sich schon, ob sie ihn hier erfrieren lassen wollten. Immer wieder bewegte er sich, an das Rasseln der Kettenglieder hatte er sich dabei längst gewöhnt und empfand es nicht mehr als schrille, atonale Musik.
Aufstehen konnte er ebenfalls, leider keinen Schritt mehr gehen, denn da packte die Kette sofort zu.
Percy mußte warten.
Wie lange, das stand für ihn in den Sternen, aber er horchte auf, als die Stille unterbrochen wurde.
Diesmal nicht durch ihn, dafür durch ein Ereignis von außen.
Er hörte Schritte.
Jemand kam, und diese Person ging nicht unbedingt leise, denn sie war sich ihrer Sache sicher.
Vergessen waren bei Percy Quade die Kopfschmerzen und auch die Übelkeit. Für ihn zählte einzig und allein die Person, die kam, um ihn zu besuchen.
Er wartete und ärgerte sich selbst darüber, wie sehr er wieder zitterte. Es war nicht die Furcht, in Quades Job mußte man mit viel Mut gesegnet sein, es war die verdammte Kälte, die sich einfach nicht zurückdrücken ließ.
Die Geräusche verstummten. Quade rechnete damit, daß es vor einer Tür geschehen war, denn sehen konnte er sie nicht. So konzentrierte er sich auf die Geräusche, die seiner Meinung nach zwangsläufig folgen mußten.
Und er hatte recht. Da war das häßlich klingende Knarren, das die graue Dunkelheit durchdrang, dann das Kratzen verschiedener Materialien aufeinander, wieder die Trittgeräusche, aber kein Lichtschein, der ihn erwischt hätte. Er ahnte die Vorgänge mehr, als daß er sie sah, und er glaubte auch, in der Finsternis Bewegungen zu sehen.
Jemand kam.
Jemand ging leise auf ihn zu.
Quade schnupperte, denn ein anderer Geruch war an seine Nase gedrungen. Zunächst kam er damit nicht zurecht. Sekunden später wußte er, wie er diesen Geruch einzustufen hatte.
Blut…
Quade schluckte. Der Kloß saß wie ein Geschwür in seiner Kehle. Er bewegte die Augen, verdrehte sie und wollte nur sehen, welches neue Unheil sich ihm näherte.
Schleifende Geräusche, als Sohlen über den schmutzigen Steinboden glitten. Ein leises Lachen, schon ein Kichern, das nicht von einem Mann abgegeben worden war.
Eine Frau?
Hatte ihn eine Frau etwa niedergeschlagen?
Percy war beileibe kein Macho, aber von einer weiblichen Person derart hereingelegt worden zu sein, das ärgerte ihn schon. Die ganz große Sicherheit würde erst die Zukunft ergeben.
Zunächst einmal war nicht viel zu hören, bis auf ein bestimmtes Geräusch. Etwas war über eine rauhe Fläche hinweggeratscht. Funken sprühten, und eine kleine Flamme bekam die Nahrung eines Zündholzes. Für einen Moment erschien ein schmales Frauengesicht, das über dem Boden schwebte, als hätte es keinen Körper. Im nächsten Moment war es wieder verschwunden, dafür blieb eine bleiche Hand mit langen Fingern, die das brennende Zündholz führte und dort zur Ruhe kam, wo der Docht einer Kerze die feurige Nahrung erhielt. Das Licht brannte ruhig, es gab keinen Windstoß, der die Flamme drückte oder sie tanzen ließ. In der hellen Lichtinsel schimmerten die Glieder der Kette, und diesmal sah er auch woran man ihn festgebunden hatte.
Es mußte eine Maschine sein, die auf vier breiten Eisenbeinen stand. Sie hatte oberhalb der Beine ein Metallgestell, auf dem sich eine wuchtige Walze abmalte.
Für Quade war es eine alte Presse oder Druckanlage. Sehr primitiv, aber irgendwie auch wirkungsvoll. Es kam immer darauf an, was man mit dieser Presse vorhatte.
Irgendwo suchte er nach einer Verbindung zwischen der Frau, dem Keller, der Presse und Sinclairs Anruf. Er hatte auch so etwas wie eine Lösung parat, aber seine Gedanken flossen wieder weg, denn die Frau nahm Percys Aufmerksamkeit in Anspruch.
Sie stand neben der Kerze, so daß er sie gut sehen konnte. Für ihn war sie eine jämmerliche Gestalt, denn sie trug
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