0830 - Das Vampirloch
oder Sessel mit weicher Unterlage. Wenn sie die Augen niederschlug, erfaßte ihr Blick die Platte eines runden Tischs, dessen Oberfläche schwarz und gleichzeitig lackiert worden war. Zur Seite konnte sie ihren Kopf nicht drehen, ihr Blickfeld blieb eingeschränkt, so daß sie nur nach vorn schauen konnte.
Immer in eine Richtung.
Immer nur ins Leere und gegen die Gesichter der anderen Gäste. Sie sah genau zwei davon, und diese Gesichter kamen ihr so starr vor wie gebleichte Halloween-Masken.
Glenda versuchte, zu sich selbst zu kommen. Sie wollte ihre Gedanken ordnen, was normalerweise kein Problem gewesen wäre, in ihrem Fall aber so gut wie unmöglich war.
Sie schaffte es einfach nicht, sich gedanklich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. Sie war zu einer Puppe geworden, eine Folge des gemixten Drinks.
Glenda gehörte dazu, ebenso ihr Begleiter und Leidensgenosse Eddy Figueras, dessen Anwesenheit sie mehr ahnen, als sehen konnte. Starr hockte er neben ihr, nur wenn sie die Augenwinkel verdrehte, konnte sie ihn auch erkennen.
Eddy war zu einer Figur geworden, denn auch ihn hatte der Drink erstarren lassen. Niemand im Raum bewegte sich, nur die Musik drang weiterhin aus den Lautsprechern, aber derartig schwere Orgelklänge brachten beileibe keine guten Gefühle.
Glenda blieb sitzen.
Glenda tat nichts.
Glenda konnte nicht mal den kleinen Finger bewegen. Nur ihre Augen reagierten etwas, so daß es ihr gelang, auch einen winzigen Teil ihrer Umgebung zu erkennen.
Alles war erstarrt. Alles wartete auf den großen Augenblick, auf den Start.
Ein Begriff fiel ihr ein.
Jemand hatte von einem Blutfest gesprochen. Es war die bleiche Frau, der das Lokal gehörte. Ein Blutfest, das bei Anbruch der Dunkelheit beginnen würde, das in einer Allegorie des Schreckens endete, in dem es vielleicht nur die Frau als Überlebende gab.
Seltsamerweise fürchtete Glenda sich nicht davor. Sie dachte nur an das Wort Blut, und genau dieser Begriff war in der letzten Zeit so wertvoll für sie geworden.
Blut…
Nein, sprechen konnte sie nicht, aber sie hatte einfach den Eindruck, das Wort auszusprechen, so intensiv hatte es sich in ihren Kopf festgesetzt.
Blut… Blut…
Der Geruch war da. Er erfüllte sie. Glenda konnte ihn sich nicht mehr wegdenken, denn er hatte sie überschwemmt wie eine gewaltige Woge, die nun wie eine große Käseglocke über ihr stehenblieb und sich nicht mehr rührte.
Sie saß da und wartete.
Es war wichtig, sich nicht zu rühren. Es war wichtig, dem Blutfest entgegenzufiebern, und plötzlich geriet ein sich bewegender Schatten in ihr Gesichtsfeld.
Vor ihr stand die kleine Chinesin.
Sie war lautlos herangeschwebt.
Lin lächelte, aber es war kein Lächeln, das Glenda erfreute, es wirkte starr und auch aufgesetzt.
Lin streckte Glenda ihre Hände entgegen. Dann legte sie die Handflächen gegen die Wangen.
Kalt war Lins Haut, als hätte sie sie mit Eiswürfeln eingerieben. Glenda schauderte etwas zusammen, aber ihr Blick blieb an dem Gesicht der Chinesin haften, besonders an ihrem Mund, denn der war dabei, sich langsam zu öffnen.
Glenda schaute genauer hin. Sie mußte es tun, sie konnte es nicht mehr anders, und sie sah das für einen normalen Menschen so Unnatürliche und Schreckliche.
Aus der oberen Zahnreihe wuchsen zwei spitze Hauer hervor…
***
Es war kalt!
Der Atem stand als dampfender Frost vor unseren Lippen, und ich hatte den Kragen meiner Jacke ebenso in die Höhe gestellt, wie es auch mein Freund Suko getan hatte.
Wir waren da, aber wir waren noch nicht am Ziel, das stand fest. Der Himmel hatte sich noch mehr bezogen, er bildete eine dunkelgraue Fläche, aus der hin und wieder winzige weiße Kristalle fielen, erste Schneeflocken.
Ich kannte dieses Geriesel nur zu gut. Wenn es so anfing, dann schneite es auch weiter, und wir würden sehr bald das gefährliche Glatteis auf den Straßen bekommen.
Wir hatten für den Rover einen Parkplatz gefunden, und eigentlich ging es nur noch darum, an das Ziel zu gelangen, was allerdings schwer genug war.
Es lag nicht an der Enge der Straßen oder Gassen, sondern mehr an den Hinterhöfen, den Durchfahrten, den kleinen Eingängen, den winzigen Gärten, die ebenfalls angelegt worden waren, als man alte Häuser abriß und neue dafür baute, deren Wohnungen teuer vermietet werden konnten. Wir hatten die Häuser gesehen mit ihren Penthouses, den schrägen Fenstern und den Ateliers.
Vor einem grauen Haus waren wir stehengeblieben. Es gehörte noch
Weitere Kostenlose Bücher