0831 - Leichen frei Haus
»Ich war drüben, Alvin, ich war, verdammt noch mal, drüben.«
»Im Labor?«
»Wo sonst?«
»Was hast du denn dort gemacht? Um diese Zeit, dazu noch mutterseelenallein.«
»Es war nicht gut, das sehe ich ein, aber die Leiche hat mir einfach keine Ruhe gelassen. Ich mußte nachschauen, was mit ihr passiert ist, und ich habe nachgeschaut.«
Alvin beugte sich vor. »Und? Hast du sie untersucht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Iris Long verdrehte die Augen, schaute zur Decke und verkrampfte ihre Hände ineinander. »Weil sie nicht mehr da war, Alvin. Die Leiche war verschwunden!«
Shephard hatte es gehört und schloß nun für einen Moment die Augen, als wollte er sich von diesem Fleck zumindest innerlich entfernen. Er wußte, was seine Kollegin durchgemacht hatte, aber er fand keine Worte des Trostes für sie und hörte dafür ihre Frage.
»Kann es sein, Alvin, daß du in der Zwischenzeit und vor mir auch im Labor gewesen bist?«
»Nein, das kann nicht sein.«
»Und Slim?«
»Der ist betrunken«, flüsterte Shephard, und öffnete die Augen wieder. Er strich mit seiner breiten Handfläche über seine Stirn. »Himmel, ich weiß sehr genau, worauf du hinauswillst, Iris. Wenn es keiner von uns gewesen ist, dann gibt es nur eine Möglichkeit. Muß ich sie aussprechen?«
»Das brauchst du nicht. Ich habe ebenfalls daran gedacht.«
Beide schwiegen sich an. Sie hingen ihren Gedanken nach, die auch die Furcht in ihnen hochtrieb, denn beide hatten eine starke Gänsehaut bekommen.
»Ja«, sagte Iris nach einer Weile. »Sollen wir überhaupt etwas unternehmen? Wenn ja, was?«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
»Flucht?«
»Wäre damit das Problem gelöst?«
»Kaum.«
»Also bleiben wir und versuchen so zu tun, als wäre nichts geschehen. Wir gehen unserer Arbeit nach, holen morgen die nächsten Testpersonen aus der Kammer und…« Der Ingenieur sprach nicht mehr weiter, weil ihm die Bedeutung seiner Worte klargeworden war. Er durchwühlte sein Haar.
»Verdammt noch mal, wer sagt uns denn, daß es der einzige lebende Tote ist?«
»Eben«, erwiderte Iris Long und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie war ratlos.
***
Nach den Vorfällen und den übrigen Abwicklungen hatten wir nur noch wenig Schlaf bekommen, trotzdem fühlte ich mich auch am anderen Morgen fit. Wir wollten die drei Japaner verhören, wobei es uns besonders auf den Chef, Zugeda, ankam, doch bis es soweit war, mußten wir noch mit unserem Chef sprechen, der uns mit einer bitterbösen Miene in seinem Büro empfing, als hätten wir ihm den Tag verdorben.
Er quälte sich kaum einen Morgengruß über die Lippen, sondern begann mit einer Feststellung. »Ich hatte bereits vor zehn Minuten einen Anruf.«
»Aber nicht von uns«, sagte ich.
»Der wäre noch zu ertragen gewesen, jemand anderer wollte mich sprechen und seinen Besuch avisieren. Es war Frederic Mason von der Kanzlei Mason und Partner.«
»Der Anwalt?« keuchte ich.
»Genau der.«
»Was wollte Mason denn?«
Sir James schaute uns beinahe böse an. »Können Sie sich das nicht denken? Er wollte seinen Mandanten vertreten, einen gewissen Mr. Zugeda.«
Mist auch! Das hätte ich mir denken können. Aber wie kam Zugeda an einen dermaßen berühmtberüchtigten Anwalt? Ein Schlitzohr in der Branche, wegen dem sich schon zahlreiche Polizisten Magengeschwüre zugezogen hatten.
Ein Witz war das nicht, denn Sir James pflegte in solchen Dingen nicht zu spaßen.
»Sie sind so stumm, John.«
»Ich denke an Mason. Leider hat er nichts mit Perry Mason zu tun. Aber wie kommt Zugeda an diesen Mann?«
»Er rief ihn an, das steht ihm zu.«
»Kann er ihn auch bezahlen?« fragte Suko.
»Sicherlich nicht. Es werden seine Hintermänner sein, für die Zugeda wohl sehr wertvoll ist, sonst hätten sie nicht derartiges Geschütz aufgefahren. Jedenfalls wird er in einer knappen halben Stunde hier erscheinen, und Sie beide sollten sich schon eine Taktik zurechtlegen, wie sie ihm begegnen werden.«
»Kann man das überhaupt?«
»Das ist Ihr Problem, John. Ich bin zuwenig informiert, aber einen mündlichen Bericht können Sie mir noch geben.«
Das taten wir dann auch. Sir James machte sich einige Notizen und entließ uns nachher mit allen guten Wünschen. Es war noch Zeit genug, um bei Glenda einen Kaffee zu trinken. An diesem Morgen wollte er mir nicht so recht schmecken, was Glenda auch bemerkte. »Habt ihr Ärger gehabt?« fragte sie.
»Nicht mehr als sonst, aber wir werden Ärger bekommen, wenn ich an
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