0833 - Hexenliebe
verhielt sich still, überhaupt drangen keine fremden Laute an meine Ohren. Ich hörte nur den Wind, der freie Bahn hatte und durch die offenen Fenster pfiff. Es herrschte Durchzug.
Es war ungemütlich, es war kalt, und die Person oben auf dem Dach schien trotzdem nicht zu frieren.
Über mir lag noch eine Etage. Sollte ich hochgehen oder warten, bis man mich besuchte?
Bisher hatte man mich nicht angesprochen, nur gelockt. Da steckte ein Plan dahinter, und ich wollte dieser fremden Person entgegenkommen. Also weiter.
Da hörte ich das Lachen.
Ich stand noch im Bad, das scheibenlose Fenster befand sich hinter mir, und so fuhr ich herum.
Die Frau war da.
Und wie sie da war!
Sie hockte draußen vor der Fensteröffnung wie auf einem schmalen Brett, an dem sie sich festhalten konnte. Aber es war kein Brett, es war der so berühmte Hexenbesen…
***
Überrascht war ich schon, denn dieser Besen gehörte eigentlich nicht mehr zu den Insignien der modernen Hexen, wie ich sie in der letzten Zeit des öfteren kennengelernt hatte. Mit einem Besen waren der Sage nach die Hexen des Mittelalters durch die Lüfte geritten, um ihren Herr, den Teufel zu umkreisen. Auf zahlreichen Abbildungen waren derartige Szenen dargestellt worden, und deshalb überraschte es mich, die Frau auf dem Besen hockend zu sehen.
Ich konnte mir auch dessen hinteres Ende genau ansehen, denn dort franste er auseinander, und es war, davon ging ich nicht ab, der berühmte Reisigbesen der Hexen.
Im Orient hatte man den fliegenden Teppich, hier war es eben der fliegende Besen. Es war ein sarkastischer Vergleich, der mir da in den Sinn gekommen war.
Die Person hockte vor dem Fenster und schaute hinein. Sie lächelte, und auf ihrem fast nackten Körper zeigte sich trotz der Kälte kein Schauer.
Nichts geschah ohne Grund, die Hexe würde also einen Grund für ihr Auftauchen haben, den sie mir allerdings noch nicht mitteilte, sie schaute mich nur an, als wollte sie mich taxieren, ob es sich überhaupt lohnte, mit mir zu reden.
Blitzschnell drehte sie sich.
Ich ging zurück, wollte nach meiner Beretta fassen, aber die Hexe tat mir nichts Böses. Sie huschte nur durch das offene Fenster und zog dabei den Kopf ein. Dann war sie im Bad, streckte die Beine aus und landete sicher. Mit den Hacken stützte sie sich ab und stand beinahe zum Greifen nahe vor mir.
Sie löste den Besen zwischen ihren Beinen, hielt ihn mit der rechten Hand fest und drückte dabei das untere Ende gegen den Boden. So standen wir uns gegenüber.
Es war eine der schönen, verführerischen Hexen, das stand fest. Ich hatte da schon andere erlebt.
Gleichzeitig stellte ich mir natürlich die Frage, woher sie stammte, denn eine Dämonin war sie auf keinen Fall. Sie reagierte wie ein Mensch. Ich hörte sie atmen, und mir floß die warme Luft aus ihrem Mund entgegen.
»Wer bist du?« fragte ich, gespannt darauf, ob ich eine Antwort erhielt.
Ich wurde nicht enttäuscht. Mit mittellauter Stimme gab sie mir ihren Namen bekannt. »Ich bin Tatjana.«
»Ein Name, der zu dir paßt.«
»Ich weiß. Und du bist John Sinclair«, erklärte sie mir mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.
»Stimmt.«
Sie wunderte sich über meine knappe Antwort. »Und du bist nicht überrascht, daß ich deinen Namen kenne?«
»Warum sollte ich? Schließlich habt ihr es schon bei meinem Freund Suko versucht.«
»Ja, wir haben ihn!«
»Wo steckt er?«
Tatjana schüttelte den Kopf. »Ich werde vieles für dich tun, dir aber nicht sagen, wo du ihn finden kannst. Denn er gehört uns, uns ganz allein.«
»Warum?«
»Weil wir uns an ihm rächen werden.«
»Was hat er euch getan?«
»Einiges und mehr als du, Sinclair. Viel mehr sogar.«
Ich kam jetzt nicht mehr mit. Sie war mir mit ihrem Wissen einfach überlegen. »Moment, da möchte ich mal nachhaken. Mein Freund Suko hat euch also etwas angetan.«
»Nicht uns persönlich.«
»Aha.«
»Es geht um eine sehr gute Freundin von uns«, sagte sie und behielt ihr Lächeln bei. »An ihrem Tod warst auch du nicht unbeteiligt, John, aber er trug die Hauptlast.«
Zwar hatte sie mir einiges erklärt, ich wußte trotzdem nicht, wo der Zug hinrollte. »Moment mal, welche Freundin von euch soll ich denn getötet haben?«
»Kannst du dich wirklich nicht erinnern?«
»Nein.«
»Es war in Paris und damals…«
Ihre Antwort wurde durch mein Pfeifen unterbrochen, das schrill aus dem linken Mundwinkel drang. Ich sah mich wieder in einer dunklen Nacht in Paris gegen eine
Weitere Kostenlose Bücher