0837 - Aibon-Blut
seinen diesmal blaß wirkenden graugrünen Augen las ich natürlich die Fragen, und ich erklärte ihm in aller Kürze, was er wissen mußte.
»Jetzt verstehe ich alles«, sagte er. »Seltsam, wie die Fäden manchmal zusammenlaufen.«
»Schicksal.«
»Auch das.«
»Und ich will Glenda zurück.«
»Warum fragst du da nicht diejenigen, die sie entführt haben?«
Ich lehnte mich gegen einen Mauerrest. »Weil die nicht greifbar sind und mir auch keine Antwort geben würden.«
»Kann ich das denn?«
»Bestimmt.«
»Da mußt du mich aufklären.«
»Gern.« Ich nickte. »Du bist derjenige, der wie kaum ein zweiter über das Druidenparadies informiert ist. Deshalb müßtest du auch wissen, ob sich etwas verändert hat.«
»Meinst du Glenda damit?«
»So ist es. Wenn sie sich in Aibon aufhält, würde dir das nicht verborgen bleiben.«
Der Rote Ryan hob seine Augenbrauen. »Du traust mir in der Tat viel zu, John, aber es könnte zutreffen. Nur würde es eine Weile dauern, bis ich etwas erfahren habe, und ich möchte von dir wissen, wann Glenda verschwunden ist.«
»Genau weiß ich das nicht. Entweder in der Nacht oder am frühen Morgen. Ich bin davon überrascht worden.«
»Gut, lassen wir das Thema. Was ist mit Ribana?«
»Sie ist da. Ich habe sie gerufen. Ich habe sie dann nach Aibon geschickt, damit sie sich dort umschaute.«
»Doch nicht wegen Glenda.«
»Nein, es geht um die Familie.«
Ich zwinkerte ihm zu. »Ryan, das ist eine Sache, die ich nicht nachvollziehen kann. Wenn die drei Personen wieder im Paradies der Druiden leben würden, dann hättest du doch längst davon erfahren müssen.«
»Nicht unbedingt. Es kommt auf die Seite an. Was soll ich bei Guywano?«
Ich löste mich von der Mauer. »Du rechnest also damit, daß sich Glenda dort aufhält.«
»Ja.«
»Dann will ich hin!«
Der Rote Ryan schwieg. Harry Stahl schaute erschreckt, als hätte ich etwas Schlimmes gesagt, hielt sich aber mit einem Kommentar zurück. Nur der Mann aus Aibon fragte: »Du willst tatsächlich in Guywanos Reich?«
»Ich bleibe dabei.«
»Allein?«
»Wenn es sein muß, auch das.«
Der Rote Ryan hob die Schultern. »Ich kann dich nicht begleiten. Ich muß hier warten, denn ich rechne fest damit, daß die Hüter des Landes auftauchen werden, um deinen Freund zu töten, wenn nicht alles so abläuft, wie sie es sich vorgestellt haben.«
»Damit ist zu rechnen. Aber ich kann Glenda nicht im Stich lassen, das mußt du wissen.«
Der Rote Ryan nickte nachdenklich. »Es ist mir klar, John. Ich versuche nur eine Möglichkeit zu finden, die deine Aufgabe erleichtert, denn ich kann nicht mit von der Partie sein.« Sein Lächeln zeigte mir, daß er eine Lösung gefunden hatte. »Es ist durchaus möglich, John, daß dich doch jemand unterstützen kann.«
»Wer?«
»Ribana.«
Damit hatte ich nicht gerechnet und mußte diesen Vorschlag, der dem Roten Ryan bestimmt nicht leichtgefallen war, erst verdauen. »Ja, wenn du meinst, aber ist sie nicht verschwunden?«
»Das läßt sich ändern. Ich werde sie eben auf meine Art und Weise zurückrufen.«
»Okay, ich warte.«
Dieser Rückruf hatte nichts mit seiner Stimme zu tun. Er würde über Grenzen hinweg, auf dem Weg der Telepathie, mit ihr Kontakt aufnehmen, das stand für mich fest.
Der Mann aus Aibon ging einige Schritte zur Seite, dann legte er den Kopf ein wenig nach hinten und setzte die Flöte an die Lippen.
Wie er so bewegungslos dastand, glich er einer Statue, die von blaugrauen Schatten umflort war.
Harry und ich lauschten den weich klingenden Melodien, die in die Nacht hineinflossen und über Grenzen hinweg auch im Paradies der Druiden gehört werden sollte.
»Es ist für mich ein kleines Wunder«, flüsterte der Detektiv.
»Magie, Harry, nicht mehr und nicht weniger.«
»Die du begreifst?«
»Nein, das versuche ich erst gar nicht. Ich habe mich damit abgefunden und freue mich, wenn ich sie zu meinen Gunsten einsetzen kann. So sollte es immer laufen.«
»Vielleicht komme ich auch mal dahin.« Es klang ziemlich deprimiert, was er sagte. Harry hatte noch immer daran zu knacken, daß er seinen Job verloren hatte.
Das Flötenspiel des Roten Ryan zeigte Erfolg. Meine Unterhaltung mit Harry Stahl verstummte, als ich das grüne, wolkenartige Schimmern sah. Das Licht war plötzlich da.
Und es leuchtete ungefähr am Fahrstuhlschacht auf, in dessen Tiefe ich beinahe verschwunden wäre, eben durch das Tor zu Aibon.
Harry stieß mich an. »Gleich wirst du sie sehen,
Weitere Kostenlose Bücher