0837 - Aibon-Blut
beherrschte es. Sie leitete es allein durch den Druck ihrer Schenkel. Es gab niemand, der dem Vogel zu Hilfe geeilt wäre. Die anderen Wesen umstanden die beiden in einem gehörigen Abstand. Sie verfolgten dabei, wie dieses widerliche Monstrum immer mehr von seiner ungemein starken Kraft verlor.
Vergebens versuchte es, die Flügel anzuheben und damit zu schlagen. Es hatte alles keinen Sinn, Ribana und das Einhorn waren stärker. Sie drängten den Riesenvogel genau dorthin, wo das größte Feuer brannte. Die kleineren waren zumeist erloschen, da sie keinen Nachschub bekommen hatten.
Das große Feuer aber schickte auch weiterhin seine Arme in die Höhe, als wäre es auf der Suche nach neuer Nahrung.
Und die bekam es.
Das Einhorn hob mit einer letzten Kraftanstrengung seinen Schädel an. Eine kurze Bewegung zurück, dann nach vorn, und plötzlich löste sich der schon halbtote Monstervogel von dem hellen Speer.
Er flog durch die Luft, er prallte erst dann zu Boden, als er das Feuer erreicht hatte.
Das Riesentier sackte in die Flammen. Es sah so aus, als wollte er sie löschen, denn sie waren plötzlich unter dem Körper verschwunden, dann aber sprühten sie an den Seiten wieder hoch und hatten das Gefieder längst in Brand gesetzt.
Es funkelte wie Zunder. Es war ausgetrocknet. Mochte die Kraft des Vogels auch noch so groß sein, dem alles vernichtenden Feuer hatte es nichts entgegenzusetzen. Nur der Kopf mit dem unnatürlich langen Schnabel stach aus den Flammen hervor. Er wurde aufgerissen, wieder zeigte sich die Zunge, aber von zwei Seiten huschten Feuerarme auf sie zu und zündete sie an.
Wenig später raste die brennende Zunge in das weit geöffnete Maul hinein.
Da explodierte der Kopf.
Brennende Teile wirbelten wie die Raketen bei einem Feuerwerk in die Luft. Ein Funkenregen ergoß sich über die nähere Umgebung, und das war alles, was von dem Monstervogel zurückgeblieben war.
Ribana aber ritt von dem Feuer weg. Sie hatte die Hand zur Faust geballt und stieß den rechten Arm in die Höhe.
So wie sie sahen Sieger aus!
***
In der Höhe stellte ich Glenda wieder auf die Füße. Sie blieb stehen, aber sie klammerte sich auch an meinen Schultern fest. Ich war nicht einmal sicher, ob sie alles mitbekam, was in unserer Nähe geschah. Der Rote Ryan schaute mich an.
»Ich bringe euch zurück«, sagte er.
»Aber Ribana…«
»Laß sie. Sie gehört zu Aibon wie ich. Ich werde das Tor anschließend für immer versiegeln.«
»Das ist gut.«
Der Rote Ryan setzte wieder seine Flöte an. Und das Spiel war diesmal anders. Lockernder, weicher, vielleicht etwas melancholischer. Ich hatte den Kopf gedreht und schaute zu den letzten Feuern hin.
Ribana sah mich.
Auf dem Rücken des Einhorns sitzend winkte sie mir zu und lächelte dabei.
Ich lächelte zurück.
Dieses Lächeln war der letzte Gruß, mit dem ich mich aus diesem Land verabschiedete…
***
Wir saßen zwischen den Ruinen des ehemaligen Hotels und betrachteten den blassen Mond, der sich am Himmel abzeichnete. Es sah aus wie eine hochkant stehende Gondel, die jemand in eine Wolkenlücke hineingedrückt hatte.
Glenda schmiegte sich an mich. Sie hatte in den letzten Minuten nichts gesagt. Wahrscheinlich mußte sie mit der Tatsache erst fertigwerden, daß sie gerettet worden war.
Harry hatte einen kleinen Flachmann aus seinem Wagen geholt. »Eine Medizin, die manchmal guttut.«
Vor dem ersten Schluck sagte ich: »Auf Glenda, den Roten Ryan und auf Ribana.«
»Und wo bleiben wir beide, John?«
»Wir?« Ich lachte. »Wir haben diesmal verdammtes Glück gehabt, Harry…«
ENDE
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