0837 - Aibon-Blut
haben.
Natürlich war ihr bekannt, daß es nicht nur die von den meisten Menschen beachteten drei Dimensionen gab. Hier waren ihnen Grenzen gesetzt, doch anderen Wesen keinesfalls.
Dämonen konnte mit Dimensionen spielen, für sie gab es keine Grenzen. Sie konnten hineintauchen in andere Welten, ohne daß ihnen etwas passierte. Sie waren da einfach den normalen Zweibeinern überlegen.
Und in eine dieser Welten hat man mich hineingebracht, dachte sie und grübelte auch weiterhin darüber nach, warum das so gekommen war. Sie konnte sich keinen konkreten Grund vorstellen, obwohl es eigentlich immer ein Motiv gab.
Dieses Motiv war ihre Nähe zu John Sinclair, verbunden mit dem Job der Sekretärin.
Wenn sie jemand entführte, dann tat er das, um eigentlich John Sinclair an den Kragen zu wollen.
Es gab kein idealeres Druckmittel als Glenda Perkins.
Dieser Gedanke war zwar richtig, und sie war auch bereit, ihn weiterzuführen, aber das konnte er doch nicht gewesen sein. Es mußte konkrete Personen geben, die sich an sie herangemacht hatten, um sie in ein Versteck zu bringen.
Sie dachte wieder an den Schatten.
Nur für einen Moment hatte sie ihn in der Wand gesehen und dazu das grüne Licht.
Glenda kannte sich aus. Sie hatte zuviel mitbekommen, und auch ihr Gedächtnis arbeitete allmählich normal, so brachte sie dieses grüne Licht nach einigem Nachdenken mit einem bestimmten Begriff in einen Zusammenhang, mit Aibon.
Aibon, das Paradies der Druiden, das zweigeteilte Land, das angebliche Fegefeuer.
Furcht überkam sie. Schüttelfrost ließ sie zittern, denn sie wußte auch, daß es aus Aibon so gut wie keine Rückkehr gab, denn dieses Land war für normale Menschen eine Tabuzone. Und man mußte schon außergewöhnlich sein, um nach Aibon zu gelangen.
Glenda Perkins zählte nicht zu den ängstlichen Menschen, aber in diesen Augenblicken hätte sie schreien können. Sie war sauer, sie wußte nicht, was sie tun sollte, und es stand außerdem für sie fest, daß sie ihr Gefängnis aus eigener Kraft nicht verlassen konnte.
Aibon hatte wieder ein Opfer mehr…
Sie richtete sich auf - und wunderte sich, daß alles so einfach ging. Das Blei in den Gliedern hatte sich aufgelöst. Zwar fühlte sich Glenda nicht topfit, aber wenn ihr Zustand so blieb, würde sie schon zurechtkommen. Sie stellte sich auch hin, schaute an sich herab und versuchte, in der dämmrigen Dunkelheit etwas zu erkennen.
Glenda trug einen Pullover und eine schmale Steghose. So hatte sie auch ins Büro gehen wollen, statt dessen aber war sie in dieser fremden Umgebung gelandet.
Vorn war es heller.
Da schimmerte ein runder Fleck, als befände sich dort der Ausgang des Stollens. Licht setzte Glenda mit Hoffnung gleich, wenn auch nicht mit Freiheit, denn die würde sie aus eigener Kraft nicht erreichen können.
Vorsichtig bewegte sich die Frau auf das Licht zu. Der Stollen war nicht besonders eng, auch nicht tief, sie konnte sich normal aufrichten, ohne mit den Haaren unter der Decke herzugleiten. Manchmal schaute sie zu Boden oder ließ ihre Blicke an den Wänden entlanggleiten, weil sie einfach spürte, daß sie nicht allein war. Irgendwo lauerten Wächter, Aufpasser einer besonderen Art, und als etwas an ihren Beinen entlanghuschte, blieb sie stehen.
Glenda schaute zu Boden.
Es war ein kleines Tier, das sich hoppelnd auf den Ausgang zubewegte. Für sie sah es aus wie ein Hase, aber das konnte es nicht sein, nicht in dieser Welt. Das Tier verließ den Stollen und war verschwunden. Auch Glenda sah zu, so rasch wie möglich diese Umgebung zu verlassen. Sie wollte nicht mehr, alles war verkehrt und für Menschen wenig geeignet. Was sie draußen erwartete, wußte sie auch nicht, und ihr Herzschlag beschleunigte sich, je mehr sie sich dem eigentlichen Ziel näherte.
Dann war sie da.
Kein Sonnenlicht umschmeichelte sie, aber die Helligkeit reichte aus, sie erkennen zu lassen, was sich vor der Höhle abspielte. Im ersten Moment wollte sie wieder zurücklaufen, denn was sie da zu sehen bekam, war schrecklich…
***
Harry Stahl hatte sich in meinen Wagen gesetzt und sein Fahrzeug stehenlassen.
»Den Weg kennst du ja noch - oder?«
Ich mußte lachen. »Glaube nur nicht, daß ich den vergesse.«
»Eben.«
An diesem Abend stoppte uns niemand. Das Dorf wirkte wie ausgestorben. Beinahe schien es, als hielten sich die Bewohner bewußt in ihren Häusern versteckt, um nicht zu sehen, was sich draußen vor ihren Fenstern alles abspielte.
Wir erreichten
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