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084 - Medusenblick

084 - Medusenblick

Titel: 084 - Medusenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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erschießen und vielleicht blieb mir dann noch Zeit, den Dämonendiskus einzusetzen.
    Mein Entschluß stand fest.
    Aber ich führte ihn nicht aus…
    Denn plötzlich war ich der Irritierte! Im Teich spiegelte sich die Gorgone nicht mehr. Sie war verschwunden. Ohne es zu wollen, drehte ich mich um, und da war tatsächlich kein Ungeheuer mehr. Also habe ich es nur noch mit Phorkys zu tun - dachte ich, aber das war ein Irrtum, denn als ich mich wieder dem Vater der Ungeheuer zuwenden wollte, war auch er nicht mehr da.
    Die beiden Scheusale hatten ihren Bruder unbehelligt und allein gelassen.
    ***
    Ich mußte zurück zu Pater Severin. Mein Magen krampfte sich zusammen, wenn ich nur an ihn und sein furchtbares Schicksal dachte. Ich hatte vorhin den Mund ziemlich voll genommen. Helfen wollte ich meinem guten Freund. Das war ein edler Wunsch, aber wie war er auszuführen? Was konnte ich für Pater Severin wirklich tun?
    Ich beeilte mich, zur Kirche zurückzukommen, und während ich durch die düstere Straße lief, zwischen deren Häuserfronten meine Schritte hallten, rasten Bilder - Filmausschnitten gleich - an meinem geistigen Auge vorüber.
    Höhepunkte aus der jüngsten und einer schon etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit waren es, und die Hauptperson war Pater Severin, dieser wackere Recke in der Soutane, dieser unerschrockene Gottesmann, den seine Schäfchen so liebten.
    Ich sah ihn lachen, sah ihn kämpfen, sah ihn auf der Kanzel stehen und predigen, und seine Worte waren für die, die gesündigt hatten, wie Faustschläge. Er hatte immer alles zum Wohle seiner Gemeinde getan. Nichts hatte ihm jemals mehr am Herzen gelegen als das Heil der ihm anvertrauten Seelen.
    Sollten sie ihren Hirten verloren haben?
    In seinem derzeitigen Zustand konnte Pater Severin niemandem mehr nützlich sein. Er konnte nicht mehr helfen, nicht mehr Anteil nehmen an irgend jemandes Schicksal.
    Er lebte zwar noch - aber wie!
    Ebensogut hätte er tot sein können…
    Doch nein, so durfte ich nicht denken. Wäre Pater Severin tot gewesen, hätte es keine Hoffnung mehr gegeben, ihm zu helfen. So aber bestand diese Hoffnung noch, und das war ein Geschenk des Himmels.
    Wir hatten zusammen gegen Agassmea, die Tigerfrau, gekämpft, waren mehrmals im Reich der grünen Schatten gewesen, und in Spanien hatten wir Xendarro, den Vampir, zur Strecke gebracht.
    Severin hatte sich immer ohne Rücksicht auf Verluste für seine Freunde eingesetzt. Heldenmutig hatte er sich in das wildeste Kampfgetümmel geworfen und alle Gefahren überlebt.
    Und nun…
    Ein anderer Priester würde seine Kirche und die Gemeinde übernehmen müssen. Und was würde aus Pater Severin werden? Würde er hinter den dicken Mauern irgendeines Klosters verschwinden?
    Er hatte sich mit einer Macht angelegt, die ihm überlegen war, und die Konsequenzen waren entsetzlich.
    Atemlos erreichte ich den Kirchenplatz. Ein Betrunkener torkelte mir entgegen. Lallend sang er ein Kneipenlied. Pater Severin hätte ihm bis vor kurzem noch gehörig die Leviten gelesen, wenn er das gehört hätte.
    Gab es diesen Pater Severin nicht mehr? Würde es ihn nie mehr geben?
    Ich stürmte an dem Mann vorbei. Er grinste mich mit speichelfeuchten Lippen an.
    Ich beachtete ihn nicht weiter, verschwand im Pfarrhaus und betrat gleich darauf den Raum, in dem mich Pater Severin vom Einfluß des Bösen befreien wollte.
    Er hatte sich noch nicht vom Fleck gerührt. Nach wie vor saß er auf der alten Holztruhe, nach wie vor war er geistig nicht da und unansprechbar.
    Dieser große, kräftige Priester kam mir jetzt vor wie ein kleines Häufchen Elend. Man konnte mit ihm anstellen, was man wollte, er merkte es nicht. Ihm war alles egal, er war geistig tot.
    Sein Anblick schnitt mir schmerzhaft ins Herz. Meine Kehle wurde eng, als ich keuchend vor ihm stand und ihm die Hand auf die Schulter legte. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.
    »Du wirst wieder, Severin«, sagte ich, obwohl ich wußte, daß er mich nicht verstand. »Wir werden dir helfen. Es muß Hilfe geben.«
    Ich ließ seine Schulter los und löschte die geweihten Kerzen. Bedauerlich, daß der Exorzismus ein Mißerfolg war. Ich hätte mich bedeutend wohler gefühlt, wenn ich das schwarze Gift losgeworden wäre.
    Zu wissen, daß mein Frontenwechsel nur aufgeschoben war, machte mich reichlich nervös.
    Kaum hatte ich die letzte Kerze ausgeblasen, da vernahm ich ein Geräusch, das mich sofort alarmierte. Dem Priester zu sagen, er solle sich nicht rühren,

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